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Montag, 31. Juli 2006

EisenhüttEnzyklopädie 2.0

Der Klügere schlägt nach. Der Satz ist keinesfalls eine Aufforderung an alle gewaltbereiten Eisenhüttenstädter, sondern EHer das Motto von Wikihüttenstadt, OrtsleXikon der Stahlstadt. Mittlerweile ist die Anzahl der Seiten beträchtlich angewachsen, so dass sich sagen lässt: Der Grundwortschatz ist gelegt, den Rest müsst Ihr selber mauern! Ein Blick auf die Kategorienseite Zur Person zeigt, dass es mittlerweile zu rund 30 Persönlichkeiten ein stadtrelevantes Portrait gibt. Ans Herz legen möchte ich dem geneigten Leser besonders folgende Einträge:

- Tamara Bunke, Freiheitskämpferin, guckst du!
- Rudolf Bahro, DDR-Regimekritiker, guckst du!
- Kurt W. Leucht, Architekt, guckst du!

- Torsten Gutsche, Olympiasieger, guckst du!
- Frank Schaffer, Olympiasieger, guckst du!
- Udo Beyer, Olympiasieger, guckst du!

- Werner Bauer, Kindbuchautor, guckst du!
- Sven Helbig, Schlagzeuger, guckst du!
- Willi Markusch, Romeo-Spion, guckst du!

- Aufklärungspavillon, Gebäude, guckst du!
- Café Olé, autonomer Jugendklub, guckst du!
- Stalinstadt Ensemble, Punkband, guckst du!

Mittwoch, 26. Juli 2006

Endstation Eisenhüttenstadt

Die meisten Ortsfremden nähern sich der Eisenhüttenstadt von Norden her, aus Richtung Berlin und mit dem RegionaleXpress der Linie 1 - kurz dem RE1. Wer nicht erst noch in Frankfurt (Oder) um-, sondern gleich am Zoologischen Garten / Hauptbahnhof / Friedrichstraße / Alexanderplatz / Ostbahnhof in die zügige Direktverbindung Berlin-Eisenhüttenstadt einsteigt, wird es sicherlich bemerkt haben: Eisenhüttenstadt ist zwar nicht die Endstation Sehnsucht, wohl aber die Endstation des RE1. Für alle Zuggäste erklingt dann eine wohlbekannte Melodei, die als Auftakt der Durchsage einer Automatenstimme dient:

"Wir erreichen jetzt den Bahnhof Eisenhüttenstadt. Der Zug endet dort. Fahrgäste bitte alle aussteigen."

Und da man auch verstehen könnte "Fahrgäste bitte alles aufschreiben" habe ich mir eigens die Mühe gemacht, diese Durchsage als akustisches Zeitzeugnis digital aufzuzeichnen und zum Sampeln und Loopen ins Netz zu stellen. Und als hätte man den Zugbegleiter auf geheimnisvolle Weise vorab über die Tonaufnahmen informiert, war jener besonders eifrig und auskunftsfreudig. Es gibt zwei Varianten: Variante A ist ausschließlich den Zugestiegenen aus Frankfurt (Oder) gewidmet, Variante B hingegen ist die radikaldemokratische Version für alle Eisenhüttenstadtreisenden.

A) Zugansage für die zugestiegenen Fahrgäste: horchst du!
B) Zugdurchsage Endstation Eisenhüttenstadt: horchst du!

Entschuldigt bitte die Qualität der gemachten Aufnahmen, es ging auf die Schnelle nicht anders. An selbst angefertigten Tondokumenten, bei denen dieses Sample Verwendung findet, wäre ich sehrsehr interessiert (zum Beispiel bei Variante A: "Der Grund hierfür ..... ist eine Verzögerung - ist eine Verzögerung - ist eine Verzögerung..."). Bitte einfach den dazu gehörigen Link als Kommentar posten. Also: Zugreifen!

Samstag, 22. Juli 2006

Donnerstag, 20. Juli 2006

Dienstag, 11. Juli 2006

Die erste eigene Wohnung

"Ein Sofa, gegenüber noch ein Sofa, dazwischen ein kleiner Tisch, zum Fenster hin Bücher, hier ein kleiner Schreibtisch, Bücher, Bücher und ein Ofen. Ach, habe ich schön gewohnt."

(Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita, S. 137)
IN EIGENER SACHE
Es war der Sommer, in dem die Fetten Brote sangen "Es ist 1996 / meine Freundin ist weg und bräunt sich", als ich meine erste eigene Wohnung bezog - vor genau zehn Jahren also. In der Friedrich-Engels-Straße 12, Zweiraumwohnung, Ofenheizung, vierter Stock. Sechs Fenster in Richtung Süden, was bedeutete, dass es im Sommer unglaublich warm und im Winter ab und an sonnig war. Sofort nach dem Einzug strich ich die sich gegenüber liegenden Wände rot bzw. gelb, kaufte einen blauen Flauschteppich und füllte mein Wohnzimmer mit geschenkten Möbeln. Die Nägel steckten bereits an den richtigen Stellen in der Wand und den Küchentisch holte ich aus einer Bodenkammer nebenan.

Durch die Nähe zum Dachboden wurde ich öfter dazu verführt, das Flachdach zu betreten. Steigbügel an Schornsteinen und Vorsprüngen ermöglichten es mir, von meinem Hausaufgang die Friedrich-Engels-Straße entlang über das Frauenhaus bis zur Poststraße vorzulaufen, wo der Wohnblock leider endete.

Im Wohnzimmer standen sich zwei Sofas gegenüber. Anfänglich hatte ich fast jeden Tag Budenzauber. Bei heißem Tee und grünem Gras saßen meine Freunde und ich beisammen und hörten Vinylschallplatten, vor allem Jungle, Grind, Ambient und Ton Steine Scherben. Es war auch die Zeit, in der ich den Groove-Jazz (Lou Donaldson! Jimmy Smith!) für mich entdeckte und alle meine Freunde damit ansteckte.

Fünf pralle Jahre wohnte ich dort – bis zum September 2001. Ich war als letzter eingezogen und zog als vorletzter Mieter wieder aus; von den ursprünglich 15 Mietparteien war mir nur noch mein Nachbar, ein Trinker, erhalten geblieben. Die Gebäudewirtschaft favorisierte den Leerzug, obwohl das Haus in der Stadtmitte lag und liegt. Ein Schicksal übrigens, dass sich bei meiner zweiten Wohnung wiederholen sollte…

Mein Ein- und mein Auszug waren jeweils vom Tod eines Menschen begleitet. Im Monat nach meinem Einzug wurde der Bewohner der Wohnung unter mir (Andreas G.) auf brutale und schäbige Weise ermordet: alkoholisierte Jugendliche hatten das ebenfalls alkoholisierte Opfer zusammen geschlagen, um so die Geheimzahl von dessen Geldkarte zu erpressen. Zwei der Täter waren ausgerechnet Nachbarn meiner elterlichen Wohnung, die ich im Monat zuvor verlassen hatte. So klein ist die Welt. Zwei Monate vor meinem Auszug, es war das Loveparade-Wochenende im Juli 2001, wurde ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Eine Frau war vom Balkon nebenan aufs Pflaster gestürzt, Gehirnflüssigkeit lief über den Bürgersteig. Schon am nächsten Morgen liefen Schulkinder über die des Nachts bereinigten Gehwegplatten, als wär' nichts gewesen.

Dennoch sehne ich mich gern zurück in diese Wohnung, denn die Jahre zwischen dem Sterben waren echt der Hammer! Liebe, Freundschaft, Solidarität; Sex, Drogen, Rock'n'Roll; Unsinn, Genie und Wahnsinn. Und da die Wohnung noch immer leer steht, melde ich mich hiermit an zu einer Wohnungsbegehung: Liebe Gebäudewirtschaft, lass mich nochmal in die Engelstraße N° 12!

Mittwoch, 5. Juli 2006

Sopraporte von Nummer 29

Sopraporte [ital. = Über-der-Tür]: Über einem Türsturz angebrachtes Relief oder Wandbild.
Foto: 2006 Ben Kaden

Sopraporte Nr. 22 & Nr. 29

Sopraporte [ital. = Über-der-Pforte]: Über einem Türsturz angebrachtes Relief oder Wandbild.
Im II. Wohnkomplex, genauer: in der Friedrich-Engels-Straße gibt es an zwei Hauseingängen eine Besonderheit. Über den Hauseingängen von Nummero 22 und Nummero 29 gibt es ein Wandrelief in klassischer Manier. Nun, was ist zu sehen? Zu sehen sind stramme Werktätige mit kerngesunden Kindern, wobei die Kinder jeweils von den Erwachsenen umringt im Mittelpunkt stehen und als heranreifende Generation eine (sozialistische) Zukunft symbolisieren sollten. Aufgrund der Anbringung über einer Haustür wird das Gefühl erzeugt, die Bewohner würden mit dem Zugang zum Haus auch eine neue und bessere künftige Gesellschaftsordnung betreten. Trotz ihrer Spießig- und Piefigkeit finde ich diese Reliefs à la Sopraporte sehr schön.

Alex DeLarge:
„Im Hausflur war das gute alte städtische Wandgemälde – sehr gut entwickelte Vecks und Titsas, ernst in der Würde der Arbeit an Werkbank und Maschine, aber ohne einen Faden Zeug an ihren wohlgebauten Plottis. Natürlich hatten einige von den Maltschiks, die in 18a wohnten, besagte Wandmalerei mit Kugel- und Filzschreiber verschönert und ausgestaltet und Haare und steife Schwänze und Sprechblasen mit schmutzigen Slovos hinzugefügt, die aus den würdevollen Mündern dieser nackten Wecks und Dewotschkas quollen.“
(Anthony Burgess: Uhrwerk Orange, S. 38)
Fotos (3): 07/2006 Dürk Dürksson

Montag, 3. Juli 2006

Bau dir einen Stadtkommandanten

Aus zwei
mach eins.

(Zur Kenntnisnahme: „Was darf die Satire? Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechttrommel gegen alles, was stockt und träge ist. Übertreibt die Satire? Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Was darf die Satire? Alles.“ - Ignaz Wrobel alias Kurt Tucholsky, 1919)