Derzeit tagt für einen Monat der Kongress der Futurologen in der vormaligen HOG Aktivist in der Karl-Marx-Straße zu Eisenhüttenstadt. Zur literarischen Untermalung desselben zitiert euer ergebener Erzähler Andi Leser in unregelmäßigen Abständen aus Stanislaw Lems Buch "Kongres futurlogiczny" von 1972. Dieser phantastische Roman muss unter dem Eindruck einer Reise des polnischen Autors ins nichtsozialistische Ausland und die Niederschrift nach dessen Rückkehr erfolgt sein, denn es hagelt zeitgenössische Anspielungen und fortschrittsgläubige Zukunftsfantasien, dass das Dach undicht wird: freie Liebe, befreite Literatur, Militärdiktaturen, Terroristen, Medikamentengläubigkeit, Psychedelica, seltsame Moden, ...
Im Folgenden dreht sich alles um die vielfältigen Möglichkeiten der Psychemie, der Wissenschaft von der Beeinflussung der Psyche durch Chemikalien. So gibt es Gutstoffe und Wutstoffe. Zur ersten Kategorie gehören Verbrüderungsdrogen wie Altruisan, Benefizil, Edelpassionat, Euphorasol, Felixol, Hedonil und Schmusium. Zur zweiten gehören zornerregende Stoffe, die bei einem Austausch der Hydroxylgruppen durch Amidgruppen entstehen und Namen wie Aggressium, Amokniak, Frustandol, Furiasol, Prygelin, Rabiat, Sadin und Trampelin tragen. Mit Konstruktol und Urbaphantomat bauen Architekten ganze Städte in ihrer Einbildung; Poesin, Lyratran und Sonettal führen zum Verfassen fiktiver Dichtwerke.
Auch Wissen wird mittels Pillen und Pülverchen vermittelt: Arguminze, geläutertes Glaubsalz, Kaltwasser, Multiplikol. Religion ebenso: Christine und Antichristine, Buddhol, Gnadenstuhlzäpfen, Sakral und Theodizina. "Es gibt ein Mittel namens Duettin. Dieses spaltet die Persönlichkeit entzwei, und der Mensch diskutiert dann mit sich selbst über ein beliebiges Thema (das durch ein gesondertes Fertigpräparat festgelegt wird)." (S. 79)
Und es gibt die Echter, zum Beispiel Authental: "Es erzeugt synthetische Erinnerungen an niemals erlebte Geschehnisse." (S. 78) Gehirnputzer wie Amnestan und Mnemolysol regen hingegen das Vergessen überflüssigen Wissens und unangenehmer Erinnerungen an.
Die vom Eisenhüttenstadt-Blog und Logbuch Stahlinstadt veranstaltete Irre Führung im Rahmen des Futurologen-Kongresses findet jedoch wirklich und nicht chemisch statt und ist diesmal am Sonntag (23.9. - Herbstbeginn!). Oberthema bleibt natürlich Eisenhüttenstadt, das untergeordnete Thema heißt "DER LANGE TROTT ZUR SCHULE. Ein Marsch, der sich an den Schulgebäuden I-VII der Planstadt (Bildungsweg eines verhaltensauffälligen Schülers) orientiert."
Treffpunkt: 14:00 Uhr im Foyer der HOG Aktivist
Foto: ehst.tick (c) flickr.com
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