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Donnerstag, 15. November 2007

Das Lied der Freundschaft


Heute möchte ich - wie vor zwei Tagen angekündigt - ein weiteres Lied des AgitProp zur Stalinstadt widergeben; allerdings nur auszugsweise, um keine Urheberrechte und -linke zu verärgern. Die erste ist auch die einzige der drei Strophen, die sich auf Eisenhüttenstadt ("Oderwerk") bezieht, der Rest ist Lobgesang auf die Kolchosenkultur der Sowjetunion (2. Strophe) bzw. Lobotomie auf den Stählernen (3. Strophe): "Wir wissen, Stalins Liebe wacht, wir mehren unser Mühen".

Das vorliegende Lied der Freundschaft widme ich allen, die reinen Herzens sind, vor allem meinem News-Kid On The Blog, Ben Kaden, vom EH-Blog nebenan:

1. Strophe:
Es lacht in Kriwoi Rog das Erz / und freut sich auf die Reise.
Es bleibt das stählern, starke Herz / der Republik nicht leise.
Der Kumpel Sascha trinkt und winkt / dem Güterzug von Süden;
der Kumpel Walter dankt und baut / im Oderwerk am Frieden.

Kehrreim:
Froh strebt ins Licht unsre deutsche Nation,
Arbeit macht glücklich und frei!
Ja, unsre Freundschaft zur Sowjetunion
ist wie das Blühen im Mai; ist wie das Blühen im Mai!"

Text: Bernhard Seeger
Musik: Alexander Ott

Quelle: Leben, Singen, Kämpfen - Liederbuch der deutschen Jugend, Berlin: 1954.

Foto: cet_s (c) flickr.com Dieses Foto ist ein gelungener Beitrag für den EH-Bilder-Wettbewerb des Monats November auf Flickr.com.

Dienstag, 13. November 2007

Stalinstattdessen

Ferrum ist bekanntlich der lateinische Name des 26. Elements und wird mit Fe abgekürzt - Eisen. Ferrari ist bekanntlich der Name einer italienischen Sportwagenmarke, welche heutzutage mit Fiat abgekürzt wird. Was diese beiden Dinge - von der lautmalerischen Ähnlichkeit abgesehen - miteinander zu tun haben? Ganz einfach: Beides endet als Schrott.


Zeichnung: Alf

Uns gehört das Werk...

Wie Blogbuster Ben vom EH-Blog in seinem heutigen Posting ganz richtig bemerkt, heißt die vormalige Stalinstadt seit einem Beschluss vom 13. November 1961 Eisenhüttenstadt. Aus Gründen der Redundanz soll hier nicht noch mal das wiederholt werden, was dort bereits geschrieben steht.

Stattdessen folgt an dieser Stelle die halbe erste Strophe und der Refrain eines Liedes für die Kampfgruppen Stalinstadts, gedichtet von Kurt Zill, EKS. Der Titel der stalinistischen Kampfeshymne gibt ein kollektivistisches Motto wider: "Uns gehört das Werk".

Manche mag diese sprachliche Aneignung vielleicht an "Paule Panzers Blues" der unvergesslichen Ton Steine Scherben erinnern, wo der singende Bierprolet am Ende der zweiten Strophe grölt: "Aber an der Schießbude stehen, mit ner Knarre in der Hand, da träum ich, ich knall alle Schweine ab, denn uns, UNS gehört das Land!" In Zeiten permanenter Terrorangst wären solche Texte wohl nicht mehr denkbar, obwohl doch damals, als das Lied entstand (1972), die RAF durch deutsche Lande zog und wirklichen Terrorismus betrieben.

Während man im Westen mit der Knarre an der Schießbude stand, bewaffnete man sich im Osten innerhalb der Betriebe. Hier nun für alle Stalinstädter ein Ohrwurm "aus der guten alten Zeit". Wer kann sich denn noch an diese Zeit erinnern, im Betrieb mit der Knarre in der Hand? Hattet ihr Eltern oder Großeltern, die bei den Betriebskampfgruppen waren? Was hat man dort gemacht? Befragt sie zu der damaligen Zeit und startet eine Diskussion!

1. Strophe:
Uns gehört das Werk, das wir erschaffen -
da ist kein Krupp, kein Thyssen Aktionär,
Drum schützen wir es auch mit unseren Waffen,
und das, Genossen, fällt uns nicht schwer!

Kehrreim:
Wir sind vom Stalinstädter Hüttenkombinat
und steh'n für den Frieden auf Wacht!
Wir schützen die Arbeit und schützen den Staat,
bewaffnete Arbeitermacht!


Einen weiteren Liedbeitrag aus der verlogenen Zeit des AgitProp gibt es demnächst in diesem Kino.

Mittwoch, 7. November 2007

Aus der Ferne seh ich sie so gerne

Hergelinst, treue Leser! Hier gibt es nie vorher Gesehenes, seltene Aufnahmen aus dem Reich der Fernfotografie! Wer das nicht sah, hat wahrlich sein Leben umsonst gelebt.

Das Eisenhüttenwerk ist das Wahrzeichen der Eisenhüttenstadt. Es wurde errichtet, bevor die Stadt errichtet wurde. Es ist zu sehen, bevor die Stadt zu sehen ist. Es geht der Stadt voraus, auch im Namen, und es ist im Stadtwappen enthalten.

Die zwei Fotografien zeigen die Stahlinstadt aus entgegen gesetzten Blickwinkeln. Oben schaut der Betrachter aus dem 25 Kilometer entfernten Frankfurt (Oder) nach Hütte. Unten teilt der geneigte Leser die Ansicht des Fotografen von einem Ackerhügel im eingemeindeten Lawitz. Wer kann andere Panoramen liefern, mit größeren Distanzen?

Bitte bei Flickr.com hochladen und den dazu gehörigen Link hier in einem Kommentar angeben. Dankeschön!

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Fotos: Andi Presse (oben) & Andi Leser (ehst.tick)

Montag, 5. November 2007

Der Erz-Schriftmacher im Gespräch

Von allen Autoren Stahlinstadts gebührt am ehesten - und hierin sind sich Kritiker und Leser ausnahmsweise einmal einig - dem Fürstenberger Historienschreiber Erwin Schriftmacher der Titel eines hellhörigen Stadtanachronisten. Vor allem seine Romantrilogie "Der Schubladen" beschreibt wie kein anderes literarisches Werk die Zeiten des Wandels in unserer Stadt. Erzählt wird der Aufstieg und Fall der alteingesessenen Altmetallhändlerfamilie Eisermann. Beinahe ein ganzes Jahrhundert umschließt die Handlung.

Leser: Herr Schriftmacher, woran arbeiten sie zurzeit?

Schriftmacher: An einem neuen Roman über den Verlust der Werte und Traditionen in einer ostelbischen Provinzstadt sowie an einem Aufsatz über schrumpfende bzw. sterbende Städte. Darüber hinaus plane ich gemeinsam mit der Dichterin Lenin Riefenstalin die Herausgabe einer Anthologie mit Stahlinstädter Kurzgeschichten.

Leser: Schriftmacher, der Name scheint mir Programm.

Schriftmacher: So ist es.

Leser: Ihre lokale, ich möchte fast schon sagen regionale Bekanntheit verdanken Sie nicht zuletzt ihrem dreiteiligen Generationsroman "Der Schubladen. Aufstieg und Fall einer alteingesessenen Altmetallhändlerfamilie." Sie schildern darin sehr detailliert die Jahre vom deutschen Kaiserreich über die Zeit der beiden deutschen Diktaturen bis hin zur neuen Berliner Republik. Woher kommt diese ganze Kenntnisfülle?

Schrittmacher: Die meisten der geschilderten Szenen entstammen eigener Erfahrung. Ich selbst bin in einer Altmetallhändlerfamilie groß geworden und konnte hautnah miterleben, wie die Firma des Großvaters durch die Kriegsjahre und die Zeit danach staatlicherseits ruiniert wurde. Das durfte ich damals nur nicht so deutlich schreiben.

Leser: Welche Ereignisse stechen da besonders heraus?

Schriftmacher: Durch den Bau des Eisenhüttenkombinat Ost herrschte anfangs im Osten eine große Nachfrage nach Alteisen, welches ja erneut eingeschmolzen und weiter verwendet werden konnte. Doch mit der Errichtung des Eisernen Vorhangs wurde der Schrotthandel nach und nach verstaatlicht, und mein Vater, der den Laden mittlerweile von seinem Vater übernommen hatte, musste sich umorientieren. Da gerade das Farbfernsehen aufkam, konzentrierte er sich auf den Handel mit Buntmetall. Nach dem Fall der Mauer hatte er dann vor allem mit Preiselastizitäten und Optimierungskosten zu kämpfen. Aber es gab auch vereinzelte Lichtblicke wie der Auftrag für den abgekupferten Erdkilometer von Vogelsang. In meinem Buch wendet sich der Enkel schließlich vom Familienbetrieb ab und strebt eine Karriere im Unterwasserrugby an.

Leser: Durchaus eine Parallele zu Ihrem eigenen Leben. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Schriftmacher: Das Schreiben kam zu mir! Ich war in der Schule, wir hatten Deutschunterricht, als ich plötzlich das Schreiben erlernte. Anfänglich mit Füller, dann mit Kugelschreiber und später sogar mit der Schreibmaschine.

Leser: Fabelhaft! Ich danke Ihnen für das Interview.

Literaturauswahl

  1. Gingko, Märchen aus dem Baumhaus, Verlog Verlag: 1967.
  2. Der Schubladen, Teil 1, Verlag Folk & Feld: 1973.
  3. Der Schubkarren, Teil 2, Verlag Folk & Feld: 1988.
  4. Der Schubprahmen, Teil 3, Verlag Oderwie Oderwas: 1994.
  5. Gans oder Kranich - Federvieh aus der Region, Vogelsang-Verlag: 2001.
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