Der Erz-Schriftmacher im Gespräch
Von allen Autoren Stahlinstadts gebührt am ehesten - und hierin sind sich Kritiker und Leser ausnahmsweise einmal einig - dem Fürstenberger Historienschreiber Erwin Schriftmacher der Titel eines hellhörigen Stadtanachronisten. Vor allem seine Romantrilogie "Der Schubladen" beschreibt wie kein anderes literarisches Werk die Zeiten des Wandels in unserer Stadt. Erzählt wird der Aufstieg und Fall der alteingesessenen Altmetallhändlerfamilie Eisermann. Beinahe ein ganzes Jahrhundert umschließt die Handlung.
Leser: Herr Schriftmacher, woran arbeiten sie zurzeit?
Schriftmacher: An einem neuen Roman über den Verlust der Werte und Traditionen in einer ostelbischen Provinzstadt sowie an einem Aufsatz über schrumpfende bzw. sterbende Städte. Darüber hinaus plane ich gemeinsam mit der Dichterin Lenin Riefenstalin die Herausgabe einer Anthologie mit Stahlinstädter Kurzgeschichten.
Leser: Schriftmacher, der Name scheint mir Programm.
Schriftmacher: So ist es.
Leser: Ihre lokale, ich möchte fast schon sagen regionale Bekanntheit verdanken Sie nicht zuletzt ihrem dreiteiligen Generationsroman "Der Schubladen. Aufstieg und Fall einer alteingesessenen Altmetallhändlerfamilie." Sie schildern darin sehr detailliert die Jahre vom deutschen Kaiserreich über die Zeit der beiden deutschen Diktaturen bis hin zur neuen Berliner Republik. Woher kommt diese ganze Kenntnisfülle?
Schrittmacher: Die meisten der geschilderten Szenen entstammen eigener Erfahrung. Ich selbst bin in einer Altmetallhändlerfamilie groß geworden und konnte hautnah miterleben, wie die Firma des Großvaters durch die Kriegsjahre und die Zeit danach staatlicherseits ruiniert wurde. Das durfte ich damals nur nicht so deutlich schreiben.
Leser: Welche Ereignisse stechen da besonders heraus?
Schriftmacher: Durch den Bau des Eisenhüttenkombinat Ost herrschte anfangs im Osten eine große Nachfrage nach Alteisen, welches ja erneut eingeschmolzen und weiter verwendet werden konnte. Doch mit der Errichtung des Eisernen Vorhangs wurde der Schrotthandel nach und nach verstaatlicht, und mein Vater, der den Laden mittlerweile von seinem Vater übernommen hatte, musste sich umorientieren. Da gerade das Farbfernsehen aufkam, konzentrierte er sich auf den Handel mit Buntmetall. Nach dem Fall der Mauer hatte er dann vor allem mit Preiselastizitäten und Optimierungskosten zu kämpfen. Aber es gab auch vereinzelte Lichtblicke wie der Auftrag für den abgekupferten Erdkilometer von Vogelsang. In meinem Buch wendet sich der Enkel schließlich vom Familienbetrieb ab und strebt eine Karriere im Unterwasserrugby an.
Leser: Durchaus eine Parallele zu Ihrem eigenen Leben. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Schriftmacher: Das Schreiben kam zu mir! Ich war in der Schule, wir hatten Deutschunterricht, als ich plötzlich das Schreiben erlernte. Anfänglich mit Füller, dann mit Kugelschreiber und später sogar mit der Schreibmaschine.
Leser: Fabelhaft! Ich danke Ihnen für das Interview.
Literaturauswahl
- Gingko, Märchen aus dem Baumhaus, Verlog Verlag: 1967.
- Der Schubladen, Teil 1, Verlag Folk & Feld: 1973.
- Der Schubkarren, Teil 2, Verlag Folk & Feld: 1988.
- Der Schubprahmen, Teil 3, Verlag Oderwie Oderwas: 1994.
- Gans oder Kranich - Federvieh aus der Region, Vogelsang-Verlag: 2001.
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