Berufstrinker verzweifelt gesucht
Das Jobcenter Stahlinstadt bietet spezielle Umschulungen für ehemalige Berufstrinker. Wie die Leiterin des Arbeitsamtes Gerlinde Hartz-Fear mitteilte, verfüge das Jobcenter über sechzig freie Stellen, die allein gelernten Berufstrinkern vorbehalten seien. Dazu gehören Umschulungen zum Parkwächter, Weinbrandverkoster, Uhrmacher und Kranführer.
Hartmut Trinkaus und seine Frau Marlies sind die ersten, die sich für eine Umschulung zum Weinbrandverkoster eintragen. Ihrer beider Handschrift ist etwas zittrig. Sie seien eben ein wenig aus der Übung, erklärt Marlies. Schon lange hätten sie nichts mehr geschrieben. Früher, als sie beide noch berufstätig waren, seien sie sogar mal mit einer Reise nach Petuschki ausgezeichnet worden. Doch das ist lang her. Heute hinkt Marlies und hat Blessuren im Gesicht. "Alles Arbeitsunfälle", sagt sie.
Wer zu DDR-Zeiten eine Lehre zum Berufstrinker eingeschlagen hatte, der stand schon bald auf dem Trockenen, denn mit der Wende gab es diesen Beruf plötzlich nicht mehr. Die meisten Berufstrinker wurden arbeitslos, viele verschwanden als Alkoholiker in der Anonymität.
So mancher versuchte seinen Beruf zum Hobby zu machen und gesellte sich zu den Wermutbrüdern am Bauernmarkt. "Aber das ist nicht dasselbe", erklärt Karl-Heinz Rumtopp. "Es fehlen die geregelten Trinkzeiten", jammert er. Heute werde getrunken, wann man wolle und was man wolle, Regeln gäbe es keine. Eine Zeitlang habe er Absinth getrunken und das Verlangen verspürt, goldgelbe Sonnenblumen zu malen. Ein andermal habe er den Prometheus als Einmannstück auf dem Bürgersteig aufgeführt – Gelb oder Leber! –, aber keiner der Passanten habe das verstanden. Nach 15 Minuten kam die Polizei und holte ihn ab.
Für Karl-Heinz Rumtopp bedeutet diese Umschulung ebenso wie für Hartmut und Marlies Trinkaus eine letzte Chance. "Darauf trinke ich jetzt erstmal einen!" grölt Karl-Heinz in die Runde. Alle freuen sich.
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