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Montag, 30. April 2007

Eisenhüttenstasi – MfS is in da House


Mit "Das Leben der Anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck wurde nach vielen Jahren wieder ein deutscher Film mit einem Oscar ausgezeichnet. Durch "Das Leben der Anderen" wurde aber auch ernsthaftes Interesse an der jüngeren deutschen Vergangenheit geweckt. Nach fünfzehn Jahren deutscher Einheit drohte die Erinnerung an die zweite deutsche Diktatur (1945-1989) im Ostalgie-Nonsens ala Thomas Brussig (Helden wie wir, Sonnenallee) und Leander Haußmann (Sonnenallee, NVA) unterzugehen. Der Erkennungssatz der Ostdeutschen "Es war nicht alles schlecht, damals" schien zu kippen in Richtung "Es war gar nicht so schlecht, damals". Schließlich kostete das Schulessen für eine Woche nur 2,75 DDR-Mark, die Brötchen gar nur fünf Pfennige, alle bekamen eine kostenlose Lehre und jeder hatte Arbeit... Nicht wahr?

Bereits die schuldbeladenen Verstrickungen des Einzelnen während der zwölf Jahre Nationalsozialismus waren im Nachkriegsdeutschland nur notdürftig aufgearbeitet worden. Im Osten (DDR) waren per Einheitsbeschluss alle Antifaschisten, im Westen (BRD) wurde fleißig Verdrängung geübt. Nun drohte ein Ähnliches mit den vierzig Jahren des angeblichen Sozialismus. Dieses Verdrängungsverhalten ist verständlich, war doch in beiden Diktaturen ein Großteil der Bevölkerung (mit-)schuldig geworden. Es ist anzunehmen, dass Großvater während seines Russlandfeldzuges Menschen erschoss und Mutti oder Vati in der Deutschen Demokratischen Republik als IM für die Staatssicherheit tätig waren. Das eigene bisherige Leben hätte man in Frage stellen müssen. Wer macht das schon gerne? In beiden Fällen einigte man sich stillschweigend auf Stillschweigen.


Um es klar zu sagen: Das Leben der Anderen ist ein Hollywood-Märchen. Ein bisschen große Politik für den Herrn Papa, ein bisschen Liebesdrama für die Frau Mama. Doch ganz so Fujicolor war es nicht. Die Stasi richtete keine Abhörbüros auf Dachböden ein. Sie malte dort auch keine Wohnungsgrundrisse mit Kreide auf. Und Videoüberwachung ist eher ein Produkt der neuzeitlichen Paranoia, von wegen Kampf gegen den Terrorismus.

Auch Eisenhüttenstadt als sozialistische Mustersiedlung hatte seine Stasi-Spitzel. Um die Informellen Mitarbeiter (IM), also Hobby-Spione, die die eigenen Nachbarn aushorchten, soll es hier jedoch nicht gehen. Dieser Eintrag beschäftigt sich ausschließlich mit drei ehemaligen Stasi-Mitarbeitern der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), so hieß die Abteilung für Auslandsspionage, von denen zwei in Eisenhüttenstadt im doppelten Sinne ihre letzte Ruhe fanden.

Zum einen wäre da der ehemalige Stasi-Offizier Walther Thräne († 1993) , der nach 15 Jahren Isolationshaft in Eisenhüttenstadt wohnhaft war. Zum anderen gäbe es da den Romeospion Wilhelm Markusch († 1999), der nach zehn Jahren Kundschaftertätigkeit im nichtsozialistischen Ausland in den 80er Jahren das Städtische Feuerwehmuseum aufbaute und leitete.


Walter Thräne. Mein Gott Walter! Der Stasi-Offizier hatte 1962, also kurz nach dem Mauerbau, die Schnauze voll vom Osten Deutschlands. Mit gefälschten Papieren überquerte er den Übergang in der Berliner Friedrichstraße, und damit er nicht so allein ist in der neuen Welt nahm er seine Geliebte gleich mit. Das wollten sich die MfS-Bosse Erich Mielke und Markus Wolf nicht gefallen lassen. Bereits einen Monat später wurde das Pärchen in Österreich in einen Hinterhalt gelockt, bewusstlos geschlagen und über die Tschechoslowakei in die DDR verschleppt. Dort machte man den beiden den Prozess. Das Urteil: 15 Jahre strengste Isolationshaft in Hohenschönhausen! Nach zehn Jahren wurde Walter Thräne begnadigt und in Eisenhüttenstadt angesiedelt. 1991 wurde er bei der Gründung der Bürgervereinigung Fürstenberg (Oder) aktiv, trat jedoch 1992 nach Bekanntwerden seines Falls wieder aus. Seine Entführung führte dann auch zur rechtmäßigen Verurteilung von HVA-Chef Markus "Mischa" Wolf. (Übrigens verstarb Walter Thräne am 9. November 1993, Markus Wolf am 9. November 2006.)


Willi Markusch. Als Romeospion bezirzte er Sekretärinnen in der Bundesrepublik. Er gab sich als Mitarbeiter einer Friedensorganisation aus und die Damen teilten mit ihm Bett und Berufsgeheimnisse. Durch den Überläufer Werner Stiller, der 1979 in den Westen floh und eine neue Identität annahm, drohte Markuschs verdeckte Kundschafter-Tätigkeit aufzufliegen. Eiligst wurde er von seinem Auslandseinsatz zurück gerufen. Wieder im Osten wurde er in Eisenhüttenstadt als Aufbaudirektor des Städtischen und des Feuerwehrmuseums eingesetzt.


Dietmar Mann. Der Offizier einer Einheit der Grenztruppen nutzte 1986 beim Pilze sammeln in Grenznähe die Gelegenheit, sein Sammelgebiet geografisch westwärts zu erweitern. Doch schon nach einem Jahr bekam er Heimweh nach Familie und Freundin und kehrte zurück in den Arbeiter- und Mauernstaat. Mann wurde Straffreiheit zugesichert, was ihn wohl auch dazu ermunterte, dieselbe Tat erneut zu planen. Diesmal bekam die Stasi vorher Wind von seinen Umzugsplänen und verurteilte ihn zu vier Jahren Gefängnis. Nachdem er einen Teil seiner Haft verbüßt hatte, wies man ihm eine Wohnung in Eisenhüttenstadt zu. Hier horchte er bis zur Wende 1989 im Fleischkombinat Kollegen aus, ob Ihnen denn die DDR Wurst sei oder nicht.

Weitere Hintergrundinformationen zu den Dreien gibt es in unserem Wikihüttenstadt.

Fotos: Flickr
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3 Kommentare:

  1. Anonym8:45 PM

    Hier ist mal ein MDR-Link zu einer Versammlung, die sich mit der Gedenkstätte im ehemaligen Stasiknast Hohenschönhausen beschäftigt:

    http://www.mdr.de/fakt/aktuell/2670436.html

    Es ist beschämend, mit welcher Frechheit sich die alten SED- und Stasikader, die im Übrigen eine ganz angenehme Rente von einstigen Klassenfeind beziehen, zum Thema DDR und Stasi äußern.

    Man kann sich vorstellen, mit wie viel Arroganz und Selbstbewusstsein sich nach dem zweiten Weltkrieg die Nazikader in der Bundesrepublik hervorgetan haben.

    Wehrt euch gegen die Feinde der Demokratie! Deftige Pilzgerichte für Stasi-Funktionäre! Hartz IV für SED-Kader!

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  2. Ruhig Blut, immer schön sachlich bleiben.

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  3. Obwohl ich das schon als ganz schön frech empfinde:

    O-Ton: Wolfgang Schmidt, Ex-Oberstleutnant MfS
    "Herr Gauck, der hat in diesem Saal 1994 geäußert, Hohenschönhausen war eine gute Adresse, die Häftlinge aus der ganzen DDR hätten sich beworben, wegen der guten Haftbedingungen hierherzukommen. Das hat Herr Gauck gesagt, nicht ich, Herr Gauck. Hier in diesem Saal."

    O-Ton: Joachim Gauck, ehem. Bundesbeauftragter für Stasi-Unterlagen
    "Es ist ja bodenlos, dass mein Name von diesen Vertretern der untergegangenen Diktatur jetzt benutzt wird, um hier eine Aufklärungsarbeit zu diskreditieren."

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