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Freitag, 10. Oktober 2008

Hütte-Abend im Zeughaus-Kino

Immer wieder erreicht mich die Frage: "Andi, wieso schreibst du Stahlinstadt mit 'h'?" Nun will ich die Sache ein für alle mal klarstellen. Ganz einfach: es heißt ja auch Stahlindustrie und nicht Stalindustrie.

Mein lieber Blogsbruder Ben vom Eisenhüttenstadt Blog hat mich doch tatsächlich überreden können, gestern ins Zeughaus-Kino in Berlins Mitte zu kommen. Dort wurden vier sehenswerte historische Dokus gezeigt, die sich mit ehemals neuen Eisenhütten- und Betonstädten in der DDR beschäftigten.

Ich habe es nicht bereut. Beim Eintritt in den Sesselsaal vernahm ich leise Jazzmusike aus dem Hause Blue Note Records und erkannte sogleich den Interpreten, den genialen Bud Powell (bitte nicht mit Baden Powell verwechseln) mit seinem verrückten Klavierbonbon "Un Poco Loco". Ob die allmächtige Matrix damit etwa mich und meinen kalauernden Kompagnon meinte?

Bereits die ersten Bilder des Films "Bild aus hunderttausend Steinen" waren ein Vergnügen. Bonbonfarbener Fünfziger-Jahre-Schick durchblumte eine lebendig quirrlende Stalinstadt. So habe ich mir das immer gewünscht und Otto Schutzmeister vermutlich auch. "Ein sozialistisches Shangri-La" nennt es der Junge von nebenan in seiner Besprechung. Der Wändekünstler Walter Womacka stieg mit einem Kompagnon aus einem Bus mit Werksarbeitern und strebte dem Rathaus (egtl. Hausse der Parteien und Massenorganisationen)... [hier fehlt ein Teil des Textes]

Der Film zeigt, wie aus einer Idee ein Bild und schließlich ein Mosaik wird. Eine Heidenarbeit! Nun sehe ich das Mosaik im Foyer des Rathauses mit ganzen anderen Augen und will unbedingt demnächst wieder hin. Sogar Obama ist oben rechts abgebildet. Da hätte die allmächtige Matrix anfangs auch noch den Blue Note-Klasiker "Mosaic" von Art Blakey & his Jazz Messengers einspielen können, aber vielleicht waren Ben und ich da noch draußen an der Kasse.

Alles weitere könnt ihr nebenan lesen. Tschüß!

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Ist der Kapitalismus bankrott?

Wie die Merkwürdige Oderzeitung in ihrer heutigen Rabattausgabe ("20% auf jeden Artikel!") verkündet, will die Stadtverwaltung für das angeschlagene Fürstenberger Bankenhaus Müller-Meier-Lehmann eine Bürgschaft von mehreren hundert Millionen Euro aufnehmen. Ein Großteil der Summe soll zur Stabilisierung der Managergehälter und -abfindungen dienen. Der regierende Bürgemeister Rainer G. Mauschel warb gestern mit Ferrero Küsschen und Mon Cheri um die Zustimmung der Abgeordneten.

Die Müller-Meier-Lehmann-Bank war infolge der Immobilienkrise in den USA in finanzielle Bedrängnis geraten. Auch hatte man die Entwicklung mehrerer Aktienkurse falsch erwürfelt. Noch im August hatte der Pressesprecher des Unternehmens, Simon Dreißig, zu beschwichtigen versucht: "Es ist ja nicht so, dass das Geld wirklich weg ist. Es hat nur jemand anders."

Richtig brenzlig wurde es für das Bankenhaus aber erst durch die so genannte Nummernaffäre. Der Vorstandsvorsitzende Sebastian Gernegros war in einem Wiener Bordell an einer Überdosis ungestrecktem bolivianischem Kokain verunglückt und hatte dabei die Zugangsdaten für etliche Schweizer Nummernkonten mit ins Grab genommen. Auch Einlagen auf Liechtensteiner Depots und den Cayman-Inseln sollen betroffen sein.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Michael Schlawinsky wandte sich nun an den Bürgemeister mit der Bitte um finanzielle Beihilfen. Aus Sparzwängen musste bereits einzelnen Mitarbeitern gekündigt werden.

Entscheidung nicht auf die lange Bank schieben

"Nun sei die Gemeinschaft gefragt", sagte Michael Schlawinsky auf einer Pressekonferenz am Montag. In eindringlichen Worten stellte Schlawinsky klar: "Es kann nicht sein, dass immer nur den Arbeitslosen geholfen wird und denjenigen, die sich für die Konjunktur aufopfern, immer nur die Steuerlast aufgehalst wird. Es wird Zeit, dass sich der Staat auch mal revanchiert."

Bürgemeister Rainer G. Mauschel, der auch im Aufsichtsrat der an der Müller-Meier-Lehmann-Bank nicht unwesentlich beteiligten Schmidt-Schulze-Bank sitzt, pflichtete dem in einem Radiointerview bei. "Es soll der Schade des Bürgers nicht sein. Schließlich fließt ein Teil des Geldes durch Steuereinnahmen wieder in städtische Kassen zurück", versprach er.

Die Fraktion der LINKEN, die seit der Kommunalwahl ein Drittel aller Abgeordneten stellt, macht ihre Zustimmung von zwei Bedingungen abhängig. So soll das Fürstenberger Bankenhaus die Patenschaften für zwei kommunale Kindergärten übernehmen und dem Städtischen Gymnasium einen neuen Fahrradständer sponsern. Auch eine Packung farbiger Tafelkreide sei im Gespräch.

Lediglich der Vorsitzende der Fürstenberger Bürgevereinigung, der bekannte Kartograf Erich Apitz, verweigert die Mitarbeit. "Es kann doch nicht sein, dass wir hier den Kapitalismus subventionieren! Sollen doch die Manager endlich mal die Verantwortung übernehmen und etwas von ihren Pensionsansprüchen abgeben!" Bürgemeister Mauschel tat diese Aussage jedoch als "unüberlegt" und "sozialneidisch" ab. Nun soll die nächste Sitzung der Stadtverordneten in Bankok die Entscheidung bringen. Stadtastrologe Mystix hat die Hauptstadt Teillands aus nominellen Gründen zum Tagungsort bestimmt, die Kosten für Anreise und Übernachtung übernehmen Müller-Meier-Lehmann.