Unsterblich und nun tot
Jerome David Salinger, Autor von Der Fänger im Roggen, ist am Mittwoch im Alter von 91 Jahren verstorben. Salinger, dem in jungen Jahren von Ernest Hemingway "verdammtes Talent" bescheinigt worden war, schaffte, wovon viele Literaten träumen: Mit einem einzigen Roman erlangte er Weltruhm und sein Name wurde unsterblich. Seine Geschichte um den Schulversager Holden Caulfield verkaufte sich seit 1951 rund 25 Millionen Mal. Das Buch gehört mancherorts zur Schullektüre. Seit 1965 hatte Salinger dann keine Bücher mehr veröffentlicht, sein letztes Interview gab er im Jahr 1980.
Was die Nachrufe verlegen verschweigen: The Catcher in the Rye hatte Mark David Chapman seinerzeit dazu "inspiriert", am 8. Dezember 1980 meinen Lieblingsbeatle John Lennon zu erschießen. Seit seiner Kindheit sei Chapman angeblich von dem Buch besessen gewesen. Merkwürdigerweise ist der Mittelname bei Autor und Mörder gleich: David.
"Am 8. Dezember verließ Chapman gegen 14:00 Uhr das Hotel, kaufte zuerst Lennons LP Double Fantasy und dann in einem Schreibwarenladen eine Ausgabe des Romans Der Fänger im Roggen, seine eigene Ausgabe hatte Chapman in Hawaii vergessen." (Quelle: Wikipedia) Chapman hatte darin die Aufforderung "gelesen", eine Berühmtheit zu ermorden, um mit dieser Wahnsinnstat wahlweise das Buch oder sich selbst berühmt zu machen. Was ihm ebenso gelang, wie einst dem griechischen Hirten Herostratus, der aus reinem Geltungsbedürfnis im Jahr 356 v. Chr. ein Weltwunder in Brand steckte und dadurch zu zweifelhaftem Ruhm kam.
Mir ist übrigens mit J. D. Salingers einzigem Roman auch mal etwas verrücktes passiert. Als der Sonnenallee-Autor Thomas Brussig am 23. Oktober 1996 im Eisenhüttenstädter Mercedes-Autohaus zu einer Buchvorstellung inklusive Lesung weilte, war ich auch anwesend. Thomas Brussig stellte damals gerade seinen (meiner Meinung nach von Philip Roths Pupertätsroman "Porntoy's Complaint" inspirierten) Wenderoman "Helden wie wir" vor. Im Anschluss gab es die üblichen Fragen: Wie haben Sie Schreiben gelernt? Was haben Sie sich dabei gedacht? Schreiben Sie schon das nächste Buch? Unter anderem auch die Frage: Welches Buch hat Sie dazu gebracht, eine schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen? Antwort: "Der Fänger im Roggen". Genau das Buch hatte ich damals im Rucksack dabei, allerdinx nicht dieselbe Ausgabe. Toll, nicht?
Als ich es beim Signieren auspackte und vorzeigte, schien der Brussig nicht überrascht, guckte eher abwesend an mir vorbei. Naja, mich hat das Buch auch nicht sonderlich überrascht, verstehe den ganzen Hype um Holden Caulfield nicht so ganz. Das Buch hat John Lennon getötet! Das sollte allen Deutsch- und Englischlehrern mal zu denken geben!
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