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Donnerstag, 5. Oktober 2006

Der Führer schenkt den Klonen eine Stadt, 3

EINTRAGUNG NR. 3

Übersicht: Des Führers Rede. Der Name der Stadt. Roter und Blauer Planet.

In Reih und Glied standen 30.000 Klone auf dem Zentralen Platz und warteten voller Ehrfurcht darauf, dass sich die Wortes des Führers wie Politur über sie ergießen mochten. Dann war es endlich soweit. Uns wurde zu Klatschen befohlen und unmittelbar danach betrat ein bärtiger Mann in weißer Generalsuniform die Bühne vor dem Obelisken. Da mein Erinnerungsvermögen nicht so perfekt funktioniert wie das unserer Abteilung für AgitProp (das sieht man schon daran, dass ich glaubte, mich daran zu erinnern, es hätten drei Männer auf der Tribüne gestanden, doch auf dem Zeitungsfoto sind eindeutig nur zwei zu sehen), zitiere ich den genauen Wortlaut der Rede so wie er heute in der Staatszeitung abgedruckt wurde:

„Klone des Einzigen Demokratischen Volksstaates! Ein außerordentlich bedeutsames Ereignis hat uns hier zusammengeführt: Die Einweihung der ersten Stadtneugründung auf dem Roten Planeten. Viele weitere werden folgen und sie werden ebenso prächtig aussehen wie diese Idealstadt. (Applaus.) Die Zeit der Barackensiedlungen auf Marx und Engels sind somit Teil der Geschichte! (Lang anhaltender Applaus.) Diese schöne neue Stadt ist ein wesentlicher Schritt beim Aufbau einer neuen friedliebenden Gesellschaftsordnung, die der Welt beweisen wird, dass es ohne die Ausbeuter und Kapitalisten tausendmal besser geht. (Lang anhaltender Applaus.) Die hier lebenden Klone sind in einheitlichen Quartieren zu Hause, ihr Arbeitsfeld wird das Stahl- & Eisenkombinat vor den Toren der Stadt sein.

Seit unserer gewaltsamen Vertreibung vom Blauen Planeten müssen wir gerüstet und gewappnet sein gegen die bevorstehenden Angriffe des Gegners. Unser friedliebender Staat ist in ständiger Gefahr. Der Feind kann überall sein. Die Konterrevolution wartet nur auf einen geeigneten Augenblick, um den Roten Planeten zu überfallen. Das dürfen wir nicht zulassen! Darum brauchen wir noch mehr verbesserte Waffen und ausreichend Munition. Jede Tonne Roheisen hält den Frieden aufrecht. Deshalb soll unsere neue Stadt den ehrenvollen Namen Stahlstadt tragen. Wir müssen leben, darum Stahl. (Minutenlanger Applaus.)“

Da ich davon ausgehe, dass der zukünftige Leser dieser Eintragungen in Geschichte nicht so gut bewandert ist, werde ich hier einige Dinge erklären. Der fürsorgliche Führer hatte im Jahre 2218 mit Hilfe von Klonen versucht, den Blauen Planeten von der Ausbeuterherrschaft zu befreien und durch den Interplanetarischen Kommunismus zu ersetzen. Die Revolution wurde jedoch verraten, der fürsorgliche Führer musste daraufhin mitsamt seinen Klonen auf den Mars und dessen Trabanten fliehen. Hier nutzte er die Chance, seine Vision von einer gerechten Gesellschaftsordnung umzusetzen und beseitigte mit seinem ersten Erlass die kriegerische Bezeichnung für den Roten Planeten (Mars – ein Kriegsgott) sowie für dessen Monde Phobos und Deimos ("Angst" und "Schrecken"), welche nun Marx und Engels heißen. Bald stellte sich heraus, dass der Rote Planet von einer Eisenoxidschicht überzogen ist, die sich photoelektrisch in Roheisen umwandeln lässt und der der Planet auch seinen rotbraunen Farbton verdankt. So wurde der Grundstein für die Industrialisierung gelegt.

...wird fortgeätzt...

[04:10:2006@e-city:de]

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