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Freitag, 1. Februar 2008

Wie geht's?


"Auf die Frage: Wie geht's? kann man mit voller Kraft antworten: Einfach prachtvoll, ich hab mir heute einen neuen Hut gekauft. Und ein ganzes Land kann sich, wenn es darauf ankommt, neue Straßen bauen oder ganz neue Städte mit Palästen und Fußgängerzonen, kann sich neue Automobile beschaffen, die die neuen Straßen verschönern. Und die Zeitungen lässt man schreiben: Uns geht es gut, das sieht man doch. Wir haben gerade eine neue Stadt fertig! Man muss das alles nur einigermaßen oft wiederholen, je öfter, desto besser, und es wird Erfolg haben, sogar auf die Dauer. Sobald die anderen einem glauben, ist man sehr geneigt, sich selbst zu glauben, und das ist schließlich der Zweck."

Diese Zeilen stammen nicht von mir, sondern vom Schriftsteller Ulrich Plenzdorf, aus seiner "Legende vom Glück ohne Ende", verfilmt und berühmt geworden als wohl beliebteste Liebesgeschichte der DDR: "Die Legende von Paul und Paula". Man kann nur spekulieren, auf welche Bautätigkeiten sich dieses mit kritischem Unterton beladene Zitat bezieht, denn Namen werden nicht genannt. Meinte der Erzähler Eisenhüttenstadt? Schwedt? Oder Hoyerswerda? Das Wort "Paläste" erinnert zumindest an die Arbeiterpaläste in Stalinstadt und der Berliner Stalinallee. Klar ist lediglich, dass die Handlung in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg angesiedelt ist, vermutlich zu Beginn der sechziger Jahre, denn da konnte man noch ungehindert nach Westberlin fahren, wie Paul in dem Buch.

Die Geschichte von Paul und Paula selbst spielte sich in Ostberlin ab, genauer in der Singerstraße im Friedrichshain. In dieser Straße stehen sich alt und neu baulich gegenüber: auf der einen Seite Altbauten, die gerade erst den Krieg überdauert haben und nun auf den volkseigenen Abriss warten. Da wohnt Paula mit ihrer Tochter. Auf der gegenüber liegenden Seite stehen bereits moderne Neubauten. Da wohnt Paul mit seiner Frau. Im Film ist das schön zu erkennen, schmutzige aber heimelige Häuser hier, helle aber unsympathische Plattenbauten dort.

Auf unsere Stadt bezogen könnte man sich da so ein Areal vorstellen wie dort, wo Fürstenberg an den VII. Wohnkomplex heranreicht. Die Fischerstraße vielleicht oder die Gubener oder auch die Platanenallee. In den Achtzigern mussten dort einige Altbauten in die saure Abrissbirne beißen, weil der Plan das so vorsah.

Ich selbst entsinne mich, an einem Sonntagnachmittag auf dem Dach eines dem Abbruch geweihten Mehrfamilienhauses in der Gubener herumgeturnt zu sein. Mit kindlicher Freude an der erlaubten Zerstörung entfernte ich von einem Schornstein die Ziegelsteine, um sie sogleich durch den senkrechten Schacht zu entsorgen. Der abwärts rasende Stein erinnerte mich an eine Rohrpost, das Geräusch dazu war ein dumpfer, erdiger Ton. Manche Steine verkanteten sich beim Anecken innerhalb des Schornsteins und blieben auf halber Höhe stecken. Ich musste nachhelfen, indem ich einen weiteren Stein hinterher sandte. Dann verdoppelte sich das Geräusch. Wenige Wochen später war der Schornstein samt Haus verschwunden, plattgemacht.

Heute nun müssen diejenigen Häuser, die damals in den Achtzigern errichtet wurden, vom Erdboden verschwinden. Ebenso von der Erde verschwunden ist der Autor Ulrich Plenzdorf, der uns noch weitere Klassiker wie "Die neuen Leiden des jungen W." oder kein "kein runter kein fern" hinterlassen hat. Plenzdorf ist leider im August 2007 verstorben. Damit er nicht auch aus dem Gedächtnis verschwindet, schrieb ich diesen Text und empfehle hiermit die erwähnten Bücher zur Lektüre.