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Sonntag, 30. Dezember 2007

Einen guten Flutsch ins Jahr 2008!


Allen Leserinnen und Lesern sowie allen Mitgliedern der Familie Leser wünscht das Blogbuch Stahlinstadt einen gelungenen Start ins neue Jahr. Feiert schön und macht das Beste aus der sich bietenden neuen Zukunft.

Silvesterfoto: Dirk Dirksen

Donnerstag, 15. November 2007

Das Lied der Freundschaft


Heute möchte ich - wie vor zwei Tagen angekündigt - ein weiteres Lied des AgitProp zur Stalinstadt widergeben; allerdings nur auszugsweise, um keine Urheberrechte und -linke zu verärgern. Die erste ist auch die einzige der drei Strophen, die sich auf Eisenhüttenstadt ("Oderwerk") bezieht, der Rest ist Lobgesang auf die Kolchosenkultur der Sowjetunion (2. Strophe) bzw. Lobotomie auf den Stählernen (3. Strophe): "Wir wissen, Stalins Liebe wacht, wir mehren unser Mühen".

Das vorliegende Lied der Freundschaft widme ich allen, die reinen Herzens sind, vor allem meinem News-Kid On The Blog, Ben Kaden, vom EH-Blog nebenan:

1. Strophe:
Es lacht in Kriwoi Rog das Erz / und freut sich auf die Reise.
Es bleibt das stählern, starke Herz / der Republik nicht leise.
Der Kumpel Sascha trinkt und winkt / dem Güterzug von Süden;
der Kumpel Walter dankt und baut / im Oderwerk am Frieden.

Kehrreim:
Froh strebt ins Licht unsre deutsche Nation,
Arbeit macht glücklich und frei!
Ja, unsre Freundschaft zur Sowjetunion
ist wie das Blühen im Mai; ist wie das Blühen im Mai!"

Text: Bernhard Seeger
Musik: Alexander Ott

Quelle: Leben, Singen, Kämpfen - Liederbuch der deutschen Jugend, Berlin: 1954.

Foto: cet_s (c) flickr.com Dieses Foto ist ein gelungener Beitrag für den EH-Bilder-Wettbewerb des Monats November auf Flickr.com.

Dienstag, 13. November 2007

Stalinstattdessen

Ferrum ist bekanntlich der lateinische Name des 26. Elements und wird mit Fe abgekürzt - Eisen. Ferrari ist bekanntlich der Name einer italienischen Sportwagenmarke, welche heutzutage mit Fiat abgekürzt wird. Was diese beiden Dinge - von der lautmalerischen Ähnlichkeit abgesehen - miteinander zu tun haben? Ganz einfach: Beides endet als Schrott.


Zeichnung: Alf

Uns gehört das Werk...

Wie Blogbuster Ben vom EH-Blog in seinem heutigen Posting ganz richtig bemerkt, heißt die vormalige Stalinstadt seit einem Beschluss vom 13. November 1961 Eisenhüttenstadt. Aus Gründen der Redundanz soll hier nicht noch mal das wiederholt werden, was dort bereits geschrieben steht.

Stattdessen folgt an dieser Stelle die halbe erste Strophe und der Refrain eines Liedes für die Kampfgruppen Stalinstadts, gedichtet von Kurt Zill, EKS. Der Titel der stalinistischen Kampfeshymne gibt ein kollektivistisches Motto wider: "Uns gehört das Werk".

Manche mag diese sprachliche Aneignung vielleicht an "Paule Panzers Blues" der unvergesslichen Ton Steine Scherben erinnern, wo der singende Bierprolet am Ende der zweiten Strophe grölt: "Aber an der Schießbude stehen, mit ner Knarre in der Hand, da träum ich, ich knall alle Schweine ab, denn uns, UNS gehört das Land!" In Zeiten permanenter Terrorangst wären solche Texte wohl nicht mehr denkbar, obwohl doch damals, als das Lied entstand (1972), die RAF durch deutsche Lande zog und wirklichen Terrorismus betrieben.

Während man im Westen mit der Knarre an der Schießbude stand, bewaffnete man sich im Osten innerhalb der Betriebe. Hier nun für alle Stalinstädter ein Ohrwurm "aus der guten alten Zeit". Wer kann sich denn noch an diese Zeit erinnern, im Betrieb mit der Knarre in der Hand? Hattet ihr Eltern oder Großeltern, die bei den Betriebskampfgruppen waren? Was hat man dort gemacht? Befragt sie zu der damaligen Zeit und startet eine Diskussion!

1. Strophe:
Uns gehört das Werk, das wir erschaffen -
da ist kein Krupp, kein Thyssen Aktionär,
Drum schützen wir es auch mit unseren Waffen,
und das, Genossen, fällt uns nicht schwer!

Kehrreim:
Wir sind vom Stalinstädter Hüttenkombinat
und steh'n für den Frieden auf Wacht!
Wir schützen die Arbeit und schützen den Staat,
bewaffnete Arbeitermacht!


Einen weiteren Liedbeitrag aus der verlogenen Zeit des AgitProp gibt es demnächst in diesem Kino.

Mittwoch, 7. November 2007

Aus der Ferne seh ich sie so gerne

Hergelinst, treue Leser! Hier gibt es nie vorher Gesehenes, seltene Aufnahmen aus dem Reich der Fernfotografie! Wer das nicht sah, hat wahrlich sein Leben umsonst gelebt.

Das Eisenhüttenwerk ist das Wahrzeichen der Eisenhüttenstadt. Es wurde errichtet, bevor die Stadt errichtet wurde. Es ist zu sehen, bevor die Stadt zu sehen ist. Es geht der Stadt voraus, auch im Namen, und es ist im Stadtwappen enthalten.

Die zwei Fotografien zeigen die Stahlinstadt aus entgegen gesetzten Blickwinkeln. Oben schaut der Betrachter aus dem 25 Kilometer entfernten Frankfurt (Oder) nach Hütte. Unten teilt der geneigte Leser die Ansicht des Fotografen von einem Ackerhügel im eingemeindeten Lawitz. Wer kann andere Panoramen liefern, mit größeren Distanzen?

Bitte bei Flickr.com hochladen und den dazu gehörigen Link hier in einem Kommentar angeben. Dankeschön!

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Fotos: Andi Presse (oben) & Andi Leser (ehst.tick)

Montag, 5. November 2007

Der Erz-Schriftmacher im Gespräch

Von allen Autoren Stahlinstadts gebührt am ehesten - und hierin sind sich Kritiker und Leser ausnahmsweise einmal einig - dem Fürstenberger Historienschreiber Erwin Schriftmacher der Titel eines hellhörigen Stadtanachronisten. Vor allem seine Romantrilogie "Der Schubladen" beschreibt wie kein anderes literarisches Werk die Zeiten des Wandels in unserer Stadt. Erzählt wird der Aufstieg und Fall der alteingesessenen Altmetallhändlerfamilie Eisermann. Beinahe ein ganzes Jahrhundert umschließt die Handlung.

Leser: Herr Schriftmacher, woran arbeiten sie zurzeit?

Schriftmacher: An einem neuen Roman über den Verlust der Werte und Traditionen in einer ostelbischen Provinzstadt sowie an einem Aufsatz über schrumpfende bzw. sterbende Städte. Darüber hinaus plane ich gemeinsam mit der Dichterin Lenin Riefenstalin die Herausgabe einer Anthologie mit Stahlinstädter Kurzgeschichten.

Leser: Schriftmacher, der Name scheint mir Programm.

Schriftmacher: So ist es.

Leser: Ihre lokale, ich möchte fast schon sagen regionale Bekanntheit verdanken Sie nicht zuletzt ihrem dreiteiligen Generationsroman "Der Schubladen. Aufstieg und Fall einer alteingesessenen Altmetallhändlerfamilie." Sie schildern darin sehr detailliert die Jahre vom deutschen Kaiserreich über die Zeit der beiden deutschen Diktaturen bis hin zur neuen Berliner Republik. Woher kommt diese ganze Kenntnisfülle?

Schrittmacher: Die meisten der geschilderten Szenen entstammen eigener Erfahrung. Ich selbst bin in einer Altmetallhändlerfamilie groß geworden und konnte hautnah miterleben, wie die Firma des Großvaters durch die Kriegsjahre und die Zeit danach staatlicherseits ruiniert wurde. Das durfte ich damals nur nicht so deutlich schreiben.

Leser: Welche Ereignisse stechen da besonders heraus?

Schriftmacher: Durch den Bau des Eisenhüttenkombinat Ost herrschte anfangs im Osten eine große Nachfrage nach Alteisen, welches ja erneut eingeschmolzen und weiter verwendet werden konnte. Doch mit der Errichtung des Eisernen Vorhangs wurde der Schrotthandel nach und nach verstaatlicht, und mein Vater, der den Laden mittlerweile von seinem Vater übernommen hatte, musste sich umorientieren. Da gerade das Farbfernsehen aufkam, konzentrierte er sich auf den Handel mit Buntmetall. Nach dem Fall der Mauer hatte er dann vor allem mit Preiselastizitäten und Optimierungskosten zu kämpfen. Aber es gab auch vereinzelte Lichtblicke wie der Auftrag für den abgekupferten Erdkilometer von Vogelsang. In meinem Buch wendet sich der Enkel schließlich vom Familienbetrieb ab und strebt eine Karriere im Unterwasserrugby an.

Leser: Durchaus eine Parallele zu Ihrem eigenen Leben. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Schriftmacher: Das Schreiben kam zu mir! Ich war in der Schule, wir hatten Deutschunterricht, als ich plötzlich das Schreiben erlernte. Anfänglich mit Füller, dann mit Kugelschreiber und später sogar mit der Schreibmaschine.

Leser: Fabelhaft! Ich danke Ihnen für das Interview.

Literaturauswahl

  1. Gingko, Märchen aus dem Baumhaus, Verlog Verlag: 1967.
  2. Der Schubladen, Teil 1, Verlag Folk & Feld: 1973.
  3. Der Schubkarren, Teil 2, Verlag Folk & Feld: 1988.
  4. Der Schubprahmen, Teil 3, Verlag Oderwie Oderwas: 1994.
  5. Gans oder Kranich - Federvieh aus der Region, Vogelsang-Verlag: 2001.
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Donnerstag, 11. Oktober 2007

Ortsschilder für Eisenhüttenstadt

Durch einen Zufall ist euer ergebener Erzähler auf ein ganz witziges und obendrein auch noch nützliches Tool gestoßen: den Schildergenerator. Egal ob Ortseingangs-, Ortsausgangs-, Bahnhofs oder Haltestellenschilder - es ist für jeden Schildbürger etwas dabei! Und man kann sogar Stundenschilder anlegen, die für exakt 60 Minuten Werbung für die eigene Seite machen. Auf geht's!

Hier schreibe ich, Andi Leser.
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Freitag, 5. Oktober 2007

Tränen im Gesicht

Ein Gedicht von Rote Welle

Licht, was nicht brennt.
Alles um mich herum dunkel.
Hoffnungslos das Leben,
sinnlos der Tod.
Leben ohne Gnade im Gefängnis der Welt.
Macht, dies zu ändern?
Mut zu entfliehen?
Weißbischwarzkontrast zu allem.
Ohne Ausweg, ohne Ziel.
Bekenntnis ist Macht,
Macht ist Bekenntnis.
Der Macht der Welt zu entfliehen ist schwer.

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Den einen holt die Geschichte ein, den anderen die Gedichte. Es gab eine Zeit, da war euer ergebener Erzähler Andi Leser der Editor einer berühmt-berüchtigten Stadtjugendzeitung namens ZIELSCHEIBE, laut Impressum: "Erdacht, gemacht und belacht in Eisenhüttenstadt."

Mein Job war es, die Texte begabter Jungautoren zu editieren und in besagter Zeitung zu publicieren. Da die Zielscheibe berühmt-berüchtigt war (Wir hatten sogar ein Verfahren wegen angeblicher Pornografie und Gewaltverherrlichung am Hals; Dank nochmals an Dana Micke von der MOZ!), konnte es passieren, dass ich auch in meiner Freizeit angesprochen und mit Texten versorgt wurde.

So auch geschehen im März/April 1997. Nach einem Punkkonzert im Café Olé entdeckte ich in meiner Jackentasche ein Gedicht ohne zuordenbaren Namen. Der Genuss psychedelischer Substanzen hatte wohl mein Gedächtnis getrübt und ich wusste nun nicht mehr, wie ich zu diesem kleinkarierten Zettel gekommen war. Dennoch nahm ich dessen Inhalt mit auf die Gedichtseite der ZIELSCHEIBE, Ausgabe 22, vom April 1997 und signierte mit dem zutreffenden Zu-Satz "Anonym, weil einfach so in meiner Jackentasche gefunden."

Im September 2007, also genau zehn Jahre danach, sprach mich zufällig die Verfasserin des besagten Gedichtes an und las mir gehörig die Leviten (vor). Dass dies das einzige Gedicht sei, welches sie jemals geschrieben habe, und so weiter. Zur Wiedergutmachung der erlittenen Qualen re-release ich nun "Tränen im Gesicht" mit dem von der Autorin gewünschten Pseudonym "Rote Welle". Ick hoffe, du freust dir!
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Foto: ehst.tick
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Dienstag, 2. Oktober 2007

Zukunftskongress ist Geschichte

"Jim Stantor wälzte sich schnarchend von einer Seite auf die andere und quetschte die Ratte ein, die ihm Schokolade aus der Tasche knabberte; beide erschraken." Nach diesen Worten endet Stanislaw Lems Roman "Der futurologische Kongreß". Bleibt zu hoffen, dass die Futurologen, deren Kongress am Sonntag im Aktivist Eisenhüttenstadt mit einem ausgelassenen Fest zu Ende ging, auf angenehmere Art und Weise geweckt wurden.

Ja, das war's erst mal; die Ruine des Aktivist ist wieder Sperrgebiet und fällt in seinen Dornröschenschlaf zurück, darauf harrend, durch ein neues Projekt wachgeküsst und mit Leben gefüllt zu werden.

Jetzt geht's an die Auswertung der dokumentierten Aktionen. Der EH-Blogbuster Ben Kaden hat, maskiert als Benutzer futurologistiques, eine neue Flickr-Gruppe angelegt, die ausschließlich Fotos vom "Kongress der Futurologen - Eisenhüttenstadt 2007" versammelt. Dort kann jeder Interessierte reinschauen und sich ein Bild vom Kongress machen. Weitere Fotos und Kommentare sind herzlich - ich betone: herzlich - willkommen!

Obiges Bild hat euern ergebenen Erzähler Andi Leser besonders fasziniert, da er verbal maßgeblich an der Umsetzung beteiligt war: Die abgebildete junge Dame positionierte sich auf Zuruf aller Anwesenden im harmonischen Mittelpunkt des projizierten Lichtfeldes. Der Mensch als Maß der Dinge.

Mein Dank geht an den Organisateur des Futurologenkongresses Thomas Neumann, an die Fahnenaktivistin Beatrice Jugert und natürlich an meinen Stadtführer-Kollegen Ben Kaden.
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Foto: futurologistiques @ flickr
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Freitag, 28. September 2007

Wochenende der Aktivisten

Am Samstag wird Franciska Zólyom vom Institute for Contemporary Art aus dem ungarischen Gegenstück zu Eisenhüttenstadt, Dunaújváros (Donau-Neustadt, ehemals Sztálinváros, d.h. Stalinneustadt), über eine "Stadt ohne Zentrum" sprechen. Der Vortrag ist dann auch der letzte im Rahmen des Futurologischen Kongresses.

STADT OHNE ZENTRUM
Ort: Aktivist in Eisenhüttenstadt, oberster Stock
Zeit: 29.9.2007 um 17:00 Uhr

Am Sonntag gibt es dann ab 14:00 Uhr die letzte der insgesamt vier Irre Führungen in Eisenhüttenstadt. Motto diesmal: "DER AKTIVISTEN ERSTE RUNDE. Vom Aktivist zur Aufbausportplatz und hoch zum Huckel und Rosenhügel." Der absolute Höhepunkt wird dann mit der Rückkehr am Ausgangsort erreicht, wo der Futurologenkongress in einem Abschlussfest kulminiert: Bei 27 Mitwirkenden und 36 Auftritten ergibt das ein Programm unterschiedlicher Gesten und Handlungen, inklusive Tanz, Applaus und Musik von The Dirty Tones. Also, wer Organisator Thomas Neumann oder Fahnenmädchen Beatrice Jugert oder Zuckerschnute Christiane Büchner oder Peter K. Koch kennenlernen möchte, der ist willkommen!

TAG DES AKTIVIST
Ort: Aktivist, Karl-Marx-Straße 54
Zeit: 30.09.2007, 12-24 Uhr
www.kongressderfuturologen.de
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Donnerstag, 27. September 2007

Ente gut, alles gut!

Im Rahmen der jüngsten Irre Führung durch Eisenhüttenstadt wurden Andi, Ben und unsere Gruppe von einem kleinen gelben Watschelentchen begleitet. Hier die Impressionen des kleinen Federviehs vom gemeinsamen Stadtrundgang am 23. September 2007.

Unser Watschelentchen erfreut sich der bunten Blumenpracht am gepflegten Gartenfließ in der Diehloer Straße. Ebenso erfreut zeigten sich ein paar Senioren, die auf halbnackte Schönheiten aus Bronze starren und sich der Körperlichkeit ihrer Jugend erinnerten.

Zu Besuch bei den lieben Verwandten: Watschel vergnügt sich gemeinsam mit einer tauben Taube auf den anmutigen Händen zweier junger Damen. Warum haben die nur solche versteinerten Gesichter? Wurden sie etwa zu Unrecht gesteinigt?

Wo bin ich da wohl gelandet? fragt sich unser Watschel hier. Was von weitem aussah wie ein zum Landen ausgestreckter Finger, entpuppte sich als etwas ganz anderes. Obwohl: man könnte es aufgrund seiner dürftigen Maße auch als elften Finger eines Mannes bezeichnen.

Fotos: ehst.tick

Mittwoch, 26. September 2007

Das Neue China

"Sodann schilderte der Japaner Hayakawa die neue, in seinem Lande entwickelte Hausform der Zukunft: achthundertstöckig, mit Gebärkliniken, Kinderkrippen, Schulen, Kaufläden, Museen, Tierparks, Theatern, Kinos und Krematorien. Der Entwurf umfasste unterirdische Lagerräume für die Asche der Verstorbenen, vierzigkanäliges Fernsehen, Berauschungs- und Ausnüchterungszellen, turnsaalähnliche Hallen für Gruppensexbetrieb (der Ausdruck fortschrittlicher Gesinnung seitens der Entwerfer) sowie Katakomben für unangepasste Subkulturgruppen. Einigermaßen neu war der Gedanke, jede Familie solle jeden Tag aus der bisherigen Wohnung in die nächste übersiedeln…" (Stanislaw Lem: Der futurologische Kongress, S. 24)

Was in Japan noch Utopie ist, wird in China demnächst Biotop. Bei Shanghai, Shenzhen und Peking-Bejing bauen internationale Architekten ganze Städte neu. Mehrstöckige Wohnsilos stehen dicht an dicht und kämpfen um Licht. Straßenbänder schlängeln sich als Lichtschächte mitten hindurch und schaffen mit ihrer überdimensionierten Weitläufigkeit den Fußgänger ab. Lobenswert: So gemütlich kann moderne Architektur sein. Aus dem Fußvolk werden Kraftfahrer, aus Ackerland wird Betonwüste.

Dies erfuhren der hochgelarte Ben KDN und der wissbegierige Andi LSR im Anschluss an ihre dritte Irre Führung (Motto: Der lange Trott zur Schule) anhand eines Vortrages im Aktivist: Das Neue China von Stadtplaner Eduard Kögel, Forschungen zur Urbanisierung in China. Wieder im Rahmen des Kongresses der Futurologen.

Was sind denn Futurlogen? belauschte ich neulich zwei ältere Damen. Was, Fotologen? - Nein, Fu-tu-ro-logen. - Hm, keine Ahnung.

Futurologie ist die Lehre von der Zukunft. Wenn die Zukunft zur Vergangenheit wird, werden Futurologen zu Historikern. Wie Lems Weltraumfahrer Ijon Tichy, der als Folge des Achten Futurologischen Kongresses für einige Zeit eingefroren wird und sich wie H.G.Wells‘ Schläfer Graham nach seiner Neubelebung nur wundern kann:

"Zu meiner Zeit hat niemand vorherzusehen vermocht, dass Rechenanlagen von einem bestimmten Intelligenzgrad an unzuverlässig werden, da sie mit der Vernunft auch Schlauheit erwerben. Eine blöde, zur Selbstbesinnung nicht fähige Maschine tut, was ihr aufgetragen wird. Eine gewiefte erkundet vorerst, was weniger mühsam sei: das Lösen der empfangenen Aufgaben oder aber der Ausweg durch ein Hintertürchen. Der Sicker ist ein Roboter, der als Mensch auftritt und in menschliche Kreise gleichsam einsickert. Simtepp ist ein Computer, der Schwachsinn simuliert, um unbehelligt zu bleiben." (S. 81)
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Foto: ehst.tick (c) flickr.com
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Dienstag, 25. September 2007

Am, um und im Krankenhaus Eisenhüttenstadt

Bis zum Sonntag noch tagt der Kongress der Futurologen im Aktivist in der Karl-Marx-Straße zu Eisenhüttenstadt. Zur literarischen Untermalung desselben zitiert euer ergebener Erzähler Andi Leser in unregelmäßigen Abständen aus Stanislaw Lems Buch "Kongres futurlogiczny" vom November 1970. Diesmal berichtet Ijon Tichy von seiner Wiederbelebung aus dem Krankenhaus. Selbigem haben Ben und ich am Sonntag im Rahmen der Irren Führungen ebenfalls einen Besuch abgestattet.

Auf dem Krankenhausgelände war ordentlich was los: ein internationales Kinderfest. Ein langer Lulatsch stolzierte auf seinen Stelzen durch die Menge, Kuchen flogen in geöffnete Münder, Kinderlachen zerriss die Luft. Doch hier wird Ijon Tichy das Wort erteilt:

"Meine Neubelebung soll drei Wochen erfordert haben. Es gab da Schwierigkeiten. Ich sitze im Bett und schreibe. Mein Zimmer ist tagsüber groß und abends klein. Alle Leute sind groß und hübsch und lächeln immerzu. Ich bin schwach, launisch wie ein Kind, alles stört mich. Heute nach der Injektion stieß ich die Nadel ins Sitzfleisch der Oberschwester. Ich bekomme die Kinderzeitung. Aus Versehen?" (S. 64)
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Foto: ehst.tick (c) flickr.com
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Donnerstag, 20. September 2007

Ohne Schmusium und Glaubsalz unterwegens

Derzeit tagt für einen Monat der Kongress der Futurologen in der vormaligen HOG Aktivist in der Karl-Marx-Straße zu Eisenhüttenstadt. Zur literarischen Untermalung desselben zitiert euer ergebener Erzähler Andi Leser in unregelmäßigen Abständen aus Stanislaw Lems Buch "Kongres futurlogiczny" von 1972. Dieser phantastische Roman muss unter dem Eindruck einer Reise des polnischen Autors ins nichtsozialistische Ausland und die Niederschrift nach dessen Rückkehr erfolgt sein, denn es hagelt zeitgenössische Anspielungen und fortschrittsgläubige Zukunftsfantasien, dass das Dach undicht wird: freie Liebe, befreite Literatur, Militärdiktaturen, Terroristen, Medikamentengläubigkeit, Psychedelica, seltsame Moden, ...

Im Folgenden dreht sich alles um die vielfältigen Möglichkeiten der Psychemie, der Wissenschaft von der Beeinflussung der Psyche durch Chemikalien. So gibt es Gutstoffe und Wutstoffe. Zur ersten Kategorie gehören Verbrüderungsdrogen wie Altruisan, Benefizil, Edelpassionat, Euphorasol, Felixol, Hedonil und Schmusium. Zur zweiten gehören zornerregende Stoffe, die bei einem Austausch der Hydroxylgruppen durch Amidgruppen entstehen und Namen wie Aggressium, Amokniak, Frustandol, Furiasol, Prygelin, Rabiat, Sadin und Trampelin tragen. Mit Konstruktol und Urbaphantomat bauen Architekten ganze Städte in ihrer Einbildung; Poesin, Lyratran und Sonettal führen zum Verfassen fiktiver Dichtwerke.

Auch Wissen wird mittels Pillen und Pülverchen vermittelt: Arguminze, geläutertes Glaubsalz, Kaltwasser, Multiplikol. Religion ebenso: Christine und Antichristine, Buddhol, Gnadenstuhlzäpfen, Sakral und Theodizina. "Es gibt ein Mittel namens Duettin. Dieses spaltet die Persönlichkeit entzwei, und der Mensch diskutiert dann mit sich selbst über ein beliebiges Thema (das durch ein gesondertes Fertigpräparat festgelegt wird)." (S. 79)

Und es gibt die Echter, zum Beispiel Authental: "Es erzeugt synthetische Erinnerungen an niemals erlebte Geschehnisse." (S. 78) Gehirnputzer wie Amnestan und Mnemolysol regen hingegen das Vergessen überflüssigen Wissens und unangenehmer Erinnerungen an.

Die vom Eisenhüttenstadt-Blog und Logbuch Stahlinstadt veranstaltete Irre Führung im Rahmen des Futurologen-Kongresses findet jedoch wirklich und nicht chemisch statt und ist diesmal am Sonntag (23.9. - Herbstbeginn!). Oberthema bleibt natürlich Eisenhüttenstadt, das untergeordnete Thema heißt "DER LANGE TROTT ZUR SCHULE. Ein Marsch, der sich an den Schulgebäuden I-VII der Planstadt (Bildungsweg eines verhaltensauffälligen Schülers) orientiert."

Treffpunkt: 14:00 Uhr im Foyer der HOG Aktivist

Foto: ehst.tick (c) flickr.com
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Freitag, 14. September 2007

Catch 22 in Hütte

Derzeit tagt für einen Monat der Kongress der Futurologen in der vormaligen HOG Aktivist in der Karl-Marx-Straße zu Eisenhüttenstadt. Zur literarischen Untermalung desselben zitiert euer ergebener Erzähler Andi Leser in unregelmäßigen Abständen aus Stanislaw Lems Buch "Kongres futurlogiczny" von 1972. Dieser phantastische Roman muss unter dem Eindruck einer Reise des polnischen Autors ins nichtsozialistische Ausland und die Niederschrift nach dessen Rückkehr erfolgt sein, denn es hagelt zeitgenössische Anspielungen und fortschrittsgläubige Zukunftsfantasien, dass das Dach undicht wird: freie Liebe, befreite Literatur, Militärdiktaturen, Terroristen, Medikamentengläubigkeit, psychedelische Drogen, seltsame Moden, ...

Den deutschen Schriftsteller Siegfried Lenz verleitete die Lektüre seinerzeit zu der Aussage, es handele sich bei diesem Roman um "eine Ausbesserung der Weltgeschichte oder sogar um eine Neufassung dieser Welt". Kauft dieses Buch und lest! Direkter kann man es nicht sagen.

"Unten in der Halle wimmelte es von Futurologen. Sie gingen zur Eröffnungssitzung [...] Über dem Podium prangte eine bekränzte Tafel mit der Tagesordnung. Den ersten Punkt bildete die urbanistische Weltkatastrophe, den zweiten die ökologische, den dritten die atmosphärische, den vierten die energetische, den fünften die der Ernährung, dann sollte eine Pause folgen. Technologische, militärische und politische Katastrophe sowie Anträge außer Programm waren für den nächsten Tag vorgesehen. [...]

Stanley Hazelton aus der Abordnung der USA schockierte sofort das Auditorium, denn er wiederholte nachdrücklich: 4, 6, 11 und somit 22; 5, 9, ergo 22; 3, 7, 2, 11 und demzufolge wiederum 22!!! [...] Ich suchte im Text seines Referates den Codeschlüssel und entnahm ihm, daß die Zahl 22 die endgültige Katastrophe bezeichnet." (Lem, Der futurologische Kongreß, S. 23/24)

Bitte denkt an die IrreFührung morgen ab 14:00 Uhr! Treffpunkt ist das Foyer des Aktivist in Eisenhüttenstadt. Das Motto diesmal: VOM WERKSEINGANG ZUM KRANKENHAUS - Heimweg eines EKO-Arbeiters.
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Foto: ehst.tick (c) flickr.com
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Mittwoch, 12. September 2007

Futurologen können kein Wässerchen trüben

Derzeit tagt für einen Monat der Kongress der Futurologen in der vormaligen HOG Aktivist in der Karl-Marx-Straße zu Eisenhüttenstadt. Zur literarischen Untermalung desselben zitiert euer ergebener Erzähler Andi Leser in unregelmäßigen Abständen aus Stanislaw Lems Buch "Kongres futurlogiczny" von 1972. Dieser phantastische Roman muss unter dem Eindruck einer Reise des polnischen Autors ins nichtsozialistische Ausland und die Niederschrift nach dessen Rückkehr erfolgt sein, denn es hagelt zeitgenössische Anspielungen und fortschrittsgläubige Zukunftsfantasien, dass das Dach undicht wird: Freie Liebe, befreite Literatur, Militärdiktaturen, Terroristen, Medikamentenglaäubigkeit, psychedelische Drogen, ...

Den deutschen Schriftsteller Siegfried Lenz verleitete die Lektüre seinerzeit zu der Aussage, es handele sich bei diesem Roman um "eine Ausbesserung der Weltgeschichte oder sogar um eine Neufassung dieser Welt". Kauft dieses Buch und lest! - direkter kann man es nicht sagen.

Die Geschichte speist sich aus den Erinnerungen des Weltraumfahrers Ijon Tichy, der am achten Weltkongress der Futurologen teilnimmt. Dieser findet in dem erfundenen mittelamerikanischen Militärstaat Costricana in einem wolkenkratzenden Hilton-Hotel statt. Nachfolgend wird die Mär vom LSD im Trinkwasser aufgenommen, welche aus den 60ern stammt und auch schon bei den Simpsons Verwendung fand (Marge: "Die in Shelbyville haben uns immer gedroht LSD ins Trinkwasser zu kippen, aber sie haben sich das nie getraut."):

"Die versalzenen Salate hatten mich sehr durstig gemacht [...] Ich beschied mich mit einem Glas Leitungswasser. Kaum hatte ich ausgetrunken, da erlosch im Bad und in beiden Hotelzimmern das Licht. Und welche Telefonnummer ich auch wählte, ich wurde stets mit einem Automaten verbunden, der das Märchen vom Aschenputtel erzählte. [...] Mir war vergnügt zumute, schlechtweg köstlich. Im Nu konnte ich Unmengen von Argumenten zum Lob der eingetretenen Sachlage aufzählen. Ferner verspürte ich den übermächtigen Wunsch, dem erstbesten Mitmenschen die Haare zu streicheln oder zumindest seine Bruderhand zu drücken und ihm dabei tief in die Augen zu schauen. Dem grimmigsten Feind hätte ich die Wangen abgeschmatzt. [...]

Mein Geist spaltete sich seltsam entzwei. Weiterhin erfüllte ihn abgeklärte Helligkeit, allumfassendes Wohlwollen; die Hände aber waren so begierig, irgendwen zu liebkosen, dass ich aus Mangel an außenstehenden Personen mir selbst sacht die Wangen zu streicheln und neckisch die Ohren zu zupfen begann; auch reichte ich viele Male die rechte Hand der linken, um beide kräftig zu drücken. [... ] 'Da stimmt was nicht!' - rief in mir eine ferne schwache Stimme."

Das war's vom Mars!

Foto: ehst.tick
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Dienstag, 11. September 2007

Ein Bericht zur ersten Irren Führung

"Zukunft jetzt! Der Kongress der Futurologen tagte das erste von vier Wochenenden und wir sind glücklich, sagen zu können: Wir waren dabei. Damit sind wir Teil einer kleinen Elite der Plan- und Zukunftsstadtbewohner, denn den Großteil derer, die am Wochenende in Eisenhüttenstadt war, zog es mehr zu Roland Kaiser, Gaby Baginsky und dem Hoffest der EWG, das Schwein am Spieß und Bier vom Faß und gute Laune von der Stange bot."

Wer den vollständigen Marschbericht unserer ersten Irren Führung vom Samstag (Motto: "Diesseits und jenseits des Kanals") nachlesen möchte, der klicke bitte ins eigens dafür eingerichtete Logbuch zur Stadtführung - und zwar auf den Beitrag mit der Darüberschrift "Der Kanaletto-Marsch". Es lohnt sich!

Die nächste Führung findet am kommenden Samstag um 14:00 Uhr statt. Treffpunkt ist natürlich das Hauptquartier der Kongressfuturologen, die ehemalige HO-Gaststätte AKTIVIST.
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Foto: ehst.tick
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Mittwoch, 5. September 2007

Stadt ist Gegensatz.

Stadt ist Angebot. Stadt ist Nachfrage.

Stadt ist Versorgung. Stadt ist Entsorgung.

Stadt ist bebaute Landschaft. Stadt ist gebaute Landschaft.

Stadt ist unten. Stadt ist oben.

Stadt ist Bewegung. Stadt ist Ruhe.

Stadt ist Mensch. Stadt ist Maschine.

Stadt ist Dienstleistung. Stadt ist Selbstversorgung.

Stadt ist Ordnung. Stadt ist Improvisation.

Stadt ist Konformität. Stadt ist Individualität.

Stadt ist Suchen. Stadt ist Finden.

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Gedicht: Baulöwe (c) flickr.com

Montag, 3. September 2007

Große Runde durch die Wohnkomplexe

Am kommenden - also an diesem und nicht am nächsten - Samstag (8.9.) ist der Auftakt der als Irre Führungen betitelten Reihe einer alternativen Stadtbegehung. Los gehts um 14:00 Uhr an der "HOG Aktivist". Das Motto der Initialzündung lautet schlicht: "DIESSEITS UND JENSEITS DES KANALS - Große Runde durch die Wohnkomplexe". Es wird sich hierbei weniger um eine Stadtführung im klasssichen Sinne handeln, bei der die Teilnehmer von einem Stadtführer an die Hand genommen, mit wahren oder weniger wahren Ortsmythen gefüttert werden und somit in die passive Rolle des Konsumenten zurückfallen.

Vielmehr handelt es sich bei den Irre Führungen um eine begleitete Stadtbegehung, bei der die Teilnehmer selbst zu Akteuren werden, die eine fremde Stadt mit eigenen Augen entdecken und darüber einen Diskurs entspinnen. Wünschens- und lobenswert wäre die Mitnahme einer Digicam bzw. Fotoapparates, da eine Auswahl der vor Ort gemachten Fotos im Anschluss an die Führung im Internetz präsentiert werden soll. Portal für die eingestellten Fotos ist das gleichnamige Weblog unter http://stadtfuehrung.huettenstadt.de.

Die Irre Führungen sind eine gemeinsame Veranstaltungsreihe des Eisenhüttenstadt-Blog und des Logbuch Stahlinstadt, welche im Rahmen des Kongresses der Futurologen in Eisenhüttenstadt Eisenhüttenstadt finden wird.

irreführende Links:
- Stadtführung Eisenhüttenstadt: Termine
- Kongress der Futurologen: Programm

Foto: flickr (c) ehst.tick
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Dienstag, 28. August 2007

Irre Führung Eisenhüttenstadt

Blogbuster Ben vom Eisenhüttenstadt-Blog und meine Wenigkeit werden alle Interessierten im schönen Monat September an vier Wochenenden durch diese unsere Stadt nasführen. Diese als Irre Führungen angekündigten alternativen Stadtbegehungen werden im Rahmen des Futurologenkongresses stattfinden. Der Kongress der Futurologen bezieht sich natürlich einerseits auf die Stadt selbst, die in der Vergangenheit als Stadt der Zukunft gedacht und konzipiert worden war. Der Titel ist aber auch eine Reminiszenz an das beste aller Bücher aus der Feder des polnischen Sci-Fi-Autoren Stanislaw Lem, welches da heißt "Der futurologische Kongreß".

Weitere Infos werden demnächst folgen...

irreführende Links:
- Kongress der Futurologen: Programm
- Stadtführer-Blog: Irre Führung Ehst.
- EH-Blog: Wir führen die Futurologen durch die Stadt
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Dienstag, 21. August 2007

Paul van Dyk für umme


"Immerhin ist der gebürtige Eisenhüttenstädter einer der renommiertesten Musikkünstler, die unser Land zu bieten hat. Kein anderer füllt derartig große Hallen hier und in Übersee wie Paul van Dyk." (Raveline, Nr. 173)

Quasi als Vorbereitung zum Gratis-Auftritt von Paul van Dyk beim EisenHüttenStadtFest am Freitag empfehle ich die aktuelle Ausgabe der Raveline (Nr. 173). Diese hat rechtzeitig zum Erscheinen des neuen Albums "In Between" ein recht lesenswertes Interview mit dem sympathischen DJ am Start: "Paul van Dyk tritt Lafontaine in den Hintern" lautet die reißerische Überschrift.

Und richtig: Der Mann mit dem leicht melancholischen Rehblick wird an zwei Stellen des Interviews etwas zornig. Erstens als es um die Linkspartei geht: "Ich finde, was die Linkspartei macht, ist ein Imageschaden für alle, die links sind. Was die da treiben ist Populismus..." Recht hat er!

Zweitens erregt er sich über einen nicht näher genannten "Egomanen", der die Loveparade von Berlin nach Essen, wo sie an diesem Samstag stattfinden wird, vertrieben hat. Wer das wohl sein kann..?

NaCHTRaG: Liest man sich mal das ebenfalls äußerst lesenswerte und sehr relaxte Interview mit Maximilian Lenz alias WestBam in der selben Ausgabe von Raveline (08/2007) durch, dann kann man erahnen, wer der Egomane ist, der Matthias Paul alias Paul van Dyk so in Rage bringt. Es ist wohl der Loveparade-Erfinder himself: Matthias Roeingh alias Dr. Motte. Da heißt es aus dem Mund von WestBam:

"Ich habe auch die Auseinandersetzung zwischen Motte und (Rainer) Schaller verfolgt und da muss ich sagen, dass mein Eindruck war, dass Mottes Position eher von persönlichen Eitelkeiten herrührte als von der Sache her. Die Diskussion damals um das musikalische Konzept, bei der Motte den Standpunkt vertreten hat, er müsse quasi bei jedem Wagen die Musik abnicken, habe ich nicht verstanden."

Bleibt zu hoffen, dass sich die beiden Matthi-Asse im Zeichen von Friede, Freude, Eierkuchen bald wieder vertragen.

NaCHTRaG N°2: Dr. Motte war auch nicht gemeint...

weiterführende Links
- Paul van Dyk auf dem Stadtfest
- Paul van Dyk bei Partysan im Interview
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Dienstag, 24. Juli 2007

Paul van Dyk auf dem Polylux



Der Beitrag von Birgit Herditschke (? - konnte den Namen nicht recht erkennen) und Alexander Seidenstücker ist zwar schon ein paar Monate älter, doch ich entdeckte ihn erst heute auf der Newsseite der Paul van Dyk GmbH. In dem sehenswerten Feature von Polylux ist der sympathische DJ sogar kurz in seinem Geburtsort Eisenhüttenstadt zu sehen, und zwar einmal vor dem Ortseingangsobelisken Richtung Pohlitz und ein andermal vor Otto Schutzmeisters Wandbild im Sechsten "Weltall | Erde | Mensch" (siehe Startbild). Paul van Dyk ist der lebende Beweise dafür, dass man OHNE Drogen aber MIT Freude an der Musik im Technobereich eine beachtliche Karriere aufs Parkett legen kann. Doch seht und hört selbst!

Quelle: Polylog.tv

ps: In dem Hochhaus hinter Paul van Dyk, im Archenholdring 24, hat mal Sebastian Nakajew gewohnt. Im elften Stock. Doch das nur so nebenbei.
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Donnerstag, 19. Juli 2007

Drehstromgeneriert

Die Stadt, von der hier andauernd die Rede ist/war/sein wird, hat viele Kurz- und Kosenamen. Der gebräuchlichste dürfte wohl Hütte sein. Seit ich Claudia T., einer guten Freundin aus Slowenien, in der Kennenlernphase offenbarte, dass ich aus Eisenhüttenstadt käme, rief sie sofort lauthals aus: "HÜTTE!" Fortan war das dann auch ein Spitzname ihrerseits für meine Person.

Dann gäbe es ja noch Eihü, aber laut Christin vom Blogsberg "sagt das hier kein Mensch". Eine Variante, die besonders in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts relativ üblich war, ist Ehst.

Dazu erreichte mich neulich eine E-Mail aus der sexischen Landeshauptstadt, deren orthodoxe Orthografie und grammschwere Grammatik ich im Originalzustand belasse, indem ich sie unverändert übernehme und unkorrigiert abdrucke:

"höre mal, du stehst jetze fixe
von deinem drehstuhl
auf, ziehst deine schlappen
an und gehst
eher mal ganz ehstetisch und elastisch
runter auf den gehsteig und wartest da solange, bis du
trotz deiner sehstörung den
imensen drehstromgenerator
vor dir siehst und
endlich verstehst...
...was alles so geht in, um und mit ehst!"

Freitag, 13. Juli 2007

Der Tunnel nach Neuzelle

"Zwei mal drei macht vier -
widdewiddewitt und drei macht neune!
"Ich mach mir die Welt -
widdewidde wie sie mir gefällt."
(Hey, Pippi Langstrumpf)

Immer wieder gibt es Fragen, die man sich nicht selbst beantworten kann. Da ist es gut, einem Experten gegenüber zu sitzen. Diesmal habe ich den regional äußerst bewanderten Heimatforscher Hartmut Brotkrume im Interview.

Brosam: Helmut Brosam!

Leser: Selbstverständlich, Herr Brosam. Desöfteren endet in vertrauter Runde, bei Zusammenkünften, Gartenfesten und Saufgelagen das Gespräch bei einem unterirdischen Tunnel, der Neuzelle mit Fürstenberg verbindet. Gibt es diesen Tunnel wirklich?

Brosam: Ja. Das heißt, es gab ihn.

Leser: Warum, ich meine, wieso gab es eine unterirdische Verbindung zwischen Neuzelle und Fürstenberg? Ich meine, die Strecke beträgt gut und gerne zehn Kilometer.

Brosam: Ganz einfach. Der Auftrag zur Errichtung eines Langen Ganges, wie es in den Quellen so schön heißt, wurde von Papst Jochen I. erteilt. Dieser Papst ist vor allem aufgrund seiner Brutalität bekannt, auf ihn geht das Prinzip der Unterjochung zurück. Im Jahre 1251/52 - die genaue Jahreszahl ist durch den Avignoner Wischfehler* nicht mehr exakt zu entziffern - befahl Papst Jochen den Bau eines Tunnels, auf dass die Menschen fortan auch bei Regen trockenen Fußes zur Klosterkirche pilgern konnten.

Leser: Und wie weiter?

Brosam: Der Bau beanspruchte mehr als 250 Jahre. Erst Papst Urban, der Erfinder des Urbanen und der U-Bahn, konnte den Durchbruch bekannt geben. Da wusste man schon nicht mehr, wofür der Tunnel eigentlich gebaut worden war und beschloss daraufhin, ihn zu fluten. Dies dauerte dann nochmals 250 Jahre, denn man musste erst einen Kanal bis zur Oder graben.

Leser: Sie meinen den Oder-Spree-Kanal?

Brosam: Ja. Ein Teil dieses Kanals ist tatsächlich sehr alt und geht auf den Tunnelkanal zurück. Es passierte dann im Jahr 1751/2 – ein Wischfehler – als der entscheidende Durchbruch erfolgte. Leider war das Höhengefälle zu stark, als dass der Tunnel sich automatisch mit Wasser füllte. Daraufhin nutzten die Neuzeller den Tunnel als Kundschafterstrecke und richteten eigens zu diesem Zweck einen Geheimdienst ein. Auch die Fürstenberger begannen ihrerseits mit Spionieren und kamen auf diese Weise an das Rezept des Klosterbieres, welches sie fortan als Fürstenberger Pils verkauften.

Leser: Und wann wurde der Tunnel außer Betrieb genommen?

Brosam: Das dauerte nochmals 200 Jahre. Der Tunnel führte ja geradewegs von Neuzelle zu Gerties Grund. Gerties Grund war eine Wiese im heutigen sechsten Wohnkomplex. Dort war der Fürstenberger Eingang des Tunnels, der Name Tunnelstraße erinnert noch daran. Die Nationalsozialisten erklärten beide Eingänge zu Ausgängen, was den Tunnel unbenutzbar machte. Nach dem Krieg entfernte die Rote Armee weitgehend alle Nägel aus dem Gang, so dass der Tunnel nach und nach einstürzte. Nur noch Menschen mit reinem Herzen können in einer nüchtern verbrachten Silvesternacht den Verbindungstunnel sehen, jedoch nicht mehr betreten.

Leser: Hinter Ihnen im Regal sehe ich viele Bücher, die von Ihnen selbst verfasst wurden. Haben Sie die alle gelesen?

Brosam: Ich verstehe Ihre Frage nicht.

Leser: Vielen Dank für das Gespräch!
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* Der Avignoner Wischfehler ist eine Entdeckung der Hobby-Hystoriker Kuttner/Schwarz.

Donnerstag, 5. Juli 2007

Affentanz

Sieh sich doch mal einer diese Affen an! Laufen auf allen Vi(e)ren herum und geben vor, Cousins des Menschen zu sein. Der naturverbundene Urwald-Orang-Utan mutierte zur mechanischen Uhrwerk-Orange und entfernte sich von seinen Wurzeln. Nebenbei bemerkt: Orang Utan bedeutet auf malaiisch "Waldmensch". Immer gibt es irgendwo ein Affentheater. Wie oft hörte ich zu meiner Kinderzeit meinen Vater fluchen: "Jetzt haben die Affen schon wieder den Strom abgestellt!" Besonders viele Gier-Affen zog es nach der Abholzung der Regenwälder und der Versteppung der Landschaften in die Politik.

Wer als Kind oder auch als Entwachsener desöfteren den Rosenhügel entlang spazierte, wird diese beiden harmlosen Schimpansen gesehen und sich mit ihnen zusammen auf einer Fotografie verewigt haben lassen. Irgendwie erschienen einem die zwei Kumpel-Kusins dabei so friedlich und vertraut, als ob sie das genetische Gedächtnis an etwas aus grauer Vorzeit erinnerten, an den "Moment, wo sich der Mensch vom Affen trennt."

Doch dieses Bild täuscht, zumindest in Bezug auf die Örtlichkeit, denn die beiden Bronzillas stehen ja gar nicht auf dem Rosenhügel, sondern in Berlin. Nur wo da? Wer es weiß, schreibt es in einen Kommentar.

Foto: Jim Panse
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Montag, 2. Juli 2007

Beeditt!

Jüngst habe ich Post erhalten, E-Post um genau zu sein. In der E-Mail schilderte mir ein Exilhüttenstädter eine Begebenheit, die ihm in der sächsischen Landeshauptstadt widerfahren ist. Damit ist Dresden gemeint und nicht etwa Leipzig, wie Landesunkundige manchmal irrtümlicherweise vermuten. In dieser Anekdote geht es jedoch weder um das schöne Elbflorenz noch um das schöne Lipsk. Nein, es dreht sich mal wieder allein um die Stadt an der Oder, die wir alle so sehr liiiiieben! Aus Gründen, die mit Faulheit korrelieren, aber auch im Bemühen um Authenzität habe ich den Text so belassen wie er mir zugesandt wurde. Orthografie und Grammatik folgen den Regeln der ersten Hüttenstädter Kleinschreibung von 1995. Das Foto zeigt uns den in der Geschichte erwähnten DJ Paul van Dyk, der in Eisenhüttenstadt geboren wurde und dort die ersten technisch erzeugten Klänge vernommen haben dürfte. Und ab dafür!

[zitat]

letztens hab ick mir anner bude ne wurscht jekooft und der verkäufer hat mich jefragt: "willst du senf oder ketchup?"

ich antwortete: "beditt!"

da frug mich der typ sofort und mit großen ooogen: "wo kommt denn das her - beeditt?"

und ich antwortete: "aus hütte, mann!"

"ahhhhh!!!" da freute er sich. paule fun deik wäre sein lieblingssoundmaxe und überhaupt is ja allet so toll.

am ende bekam ich die wurscht umsonst.

toll wa? keen quatsch!

[/zitat]

Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Paul van Dyk GmbH
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Donnerstag, 28. Juni 2007

Brecht: Auf die Stadt

"Die Schwärmerei für die Natur kommt von der Unbewohnbarkeit der Städte."

(Bertolt Brecht)

Dienstag, 19. Juni 2007

Rekorde, Einmaligkeiten, Kuriositäten

Auch in der DDR gab es etwas vergleichbares wie das "Guinnessbuch der Rekorde". Allerdings ausschließlich mit DDR-typischen Rekorden, Einmaligkeiten und Kuriositäten. Was interessierte den braven DDR-Bürger auch der Rest der Welt, wenn man das SED-Grundstück eh nicht verlassen durfte? Die Redaktion des schmalen Büchleins war bemüht, Ostdeutschland in Superlativen zu beschreiben ("das erste, einzige, größte, kleinste, höchste, älteste, längste und vieles mehr").

Neben solch herrlich benamsten Örtlichkeiten wie Ansprung im Ärztegebirge, Oschatz in Saxonia und Groß Zicker im Irgendwo taucht auch die Stadt, die wir alle so sehr lieben, im Register auf. Und das gleich dreimal. Die etwas banalen Gründe hierfür folgen auf dem Fuße:

S. 56
"Wohnstadt, erste sozialistische: 1951 begann der Aufbau von Eisenhüttenstadt in der Nähe des Eisenhüttenkombinates Ost. Im Jahre 1984 hatte diese neue Stadt bereits 48.000 Einwohner."

S. 119
"Fähre, billigste: In Bad Kösen kostet eine Überfahrt mit der Fähre 5 Pfennig, sie wird noch mit Muskelkraft betrieben. In Eisenhüttenstadt ist eine Überfahrt über den Oder-Spree-Kanal mit der handgetriebenen Fähre sogar kostenlos."

S. 157
"Fische, Rekordgrößen: Karpfen - 23,750 kg, 90 cm gefangen 1965 von Bruno Grund aus Eisenhüttenstadt."

Den Buchrücken des Paperbacks ziert zum Abschluss der Lektüre die Aufforderung: "Bitte schreiben Sie uns, helfen Sie mit, die nächste Auflage zu vervollständigen." Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen, denn die DDR war ja bekanntlicherweise im Jahr darauf schon Geschichte.

Quelle: Wolfgang Richter (Red.): Rekorde, Einmaligkeiten, Kuriositäten in der DDR. 2., erweiterte Auflage, Berlin: April 1989.

Hast du Worte fürs Wiki?

Werk-Tätige
Das jüngst vorgestellte Projekt "Hast du Worte - 1220 für Eisenhüttenstadt" habe ich nun ins Wikihüttenstadt eingefügt. Dort sind alle bereits notierten Wörter in übersichtlicher Art und Weise alphabetisch angeordnet. Nach vorheriger Anmeldung können weitere Wörter hinzugefügt, mit einer Nummerierung (#) versehen und innerhalb des Stadtwikis verlinkt werden.

Viel Spaß dabei und Danke!

Bildquelle: Stefan Doernberg, Kurze Geschichte der DDR, Dietz Verlag Berlin, 1965.

Freitag, 15. Juni 2007

Habt ihr Worte? 1220 für Eisenhüttenstadt

"Ich beobachtete Ben: Er kratzte sich am Kopf, kratzte sich die Eier und kaute auf seinem Kaugummi. Wie sollte dieser Typ bloß diesen Text begreifen? Wie sollten übrigens auch die anderen diesen Text begreifen?"
Michel Houellebecq: Elementarteilchen, S. 218

Ein teilweiser Sinn des Logbuches Stahlinstadt ist es ja, die Eisenhüttenstadt, diese künstlich in den Sandboden gesetzte Blogbebauung, in Worte zu fassen - sowohl das Geschehen in der Stadt, als auch die Stadt selber. Da nun schon ein Gebiet der Stadt abgerissen, also dekonstruieret wurde, kam ich auf die Idee, die Stadt auch sprachlich in ihre Einzelteile zu zerlegen. Name des Projekts: 1220 Eisenhüttenstadt - Eine Stadt in 1220 Worten. Die Zahl ist nicht ohne Grund gewählt, gibt sie doch die alte Postleitzahl (PLZ) der Vorwendezeit wieder. Die aktuelle PLZ 15890 erschien mir dann doch zu gigantisch und übertrieben. Ich sollte Recht behalten, denn bereits die 1220 ist schwer zu bewerkstelligen. Mittlerweile fehlen mir immer noch knapp 1000 Wörter, das bisher geschaffte seht ihr unten. Darum lade ich alle Interessierten dazu ein, beim Projekt Habt ihr Worte? 1220 für Eisenhüttenstadt mitzumachen und Ergänzungen vorzunehmen. Die Worte stehen in alphabetischer Reihenfolge.
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18. August 1950 Stadt- und Werksgründung vor einem Kiefernwäldchen bei Fürstenberg an der Oder 7. Mai 1953 Namensgebung Stalinstadt 17. Juni 1953 in Stalinstadt und Fürstenberg an der Oder 13. November 1961 Zusammenlegung von Stalinstadt, Fürstenberg und Schönfließ zur Eisenhüttenstadt Agitationspavillon der Nationalen Front der DDR Alten- und Ledigenwohnheim Alte Ladenstraße Altweiberbrunnen Am Helling Archenholdring Autosalon Backwarenkombinat Bahnhof Eisenhüttenstadt Bahnhofstraße Bandstahlkombinat Hermann Matern Berggaststätte Huckel Bergstraße Bernd Kretzschmer Betriebssportgemeinschaft Stahl Bettenhaus Bräustübel Broilergaststätte Busbahnhof Clara-Zetkin-Ring Club Hans Marchwitza Cottbusser Straße Diehloer Berge Diehloer Straße Diesterwegring Eisenhüttenkombinat Ost Eisenbahnbrücke Eisenbahnstraße Eisenwerk Erweiterte Oberschule Clara Zetkin EKO-Eingang EKO-Wache Erich-Weinert-Allee Europakreuzung Fellertstraße Fernsehstörsender auf dem Schierenberg Feuerwache Feuerwehrmuseum Fleisch- und Wurtwarenkombinat Freilichtbühne in den Diehloer Bergen Friedrich-Engels-Straße Friedrich-Wolf-Theater Fritz-Heckert-Straße Fröbelring Fröbelringpassage Fürstenberg an der Oder Fürstenberger Nikolaikirche Gemeindezentrum der Evangelischen Friedenkirchengemeinde General-Walter-Straße Gichtgas Glogower Ring Halbzeitgaststätte Handwerkerhof Hans Marchwitza Hauptpostamt Haus der Parteien und Massenorganisationen Heimattiergarten Heinrich-Heine-Allee Helmut Preißler Herbert Burschik Herbert Härtel Hochofenabstich Holzwolle Hotel Aufbau Hotel Lunik Industriekaufhalle (Indus) Inselfriedhof Inselgaststätte Inselschwimmhalle Inselstadion Intelligenzblock Johannes Hansky John-Schehr-Straße Jugendbrunnen Kaltwalzwerk Kanalfähre Karl-Marx-Straße Karl Mundstock Kaufhaus Magnet Kaufhalle Fix Kernstadt Kiesgruben Klubhaus am Anger Klubhaus Philipp Müller Konverterstahlwerk Kosmos Kurt W. Leucht Ladenband in der Straße des Komsomol Leninallee Löwenstraße Magistralapotheke Malzweg Manfred Sader Marchlewskiring Matthias Steier Maxim-Gorki-Straße Minigolfanlage Medizinische Fachschule Milchbar Milenshafen Mittelganghaus Möbelkaufhaus Nadelwehrring Neuzeller Landweg Neuzeller Straße Normaluhren Matthias Paul aka Paul van Dyk Pawlowallee PA-Zentrum Pionierhaus Pfarrer Heinz Bräuer Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft mit Sowjetischem Ehrenmahl Poliklinik Polytechnische Oberschule Alexander Shulgin Polytechnische Oberschule Alfred Jung Polytechnische Oberschule Erich Weinert Polytechnische Oberschule Friedrich Wolf Polytechnische Oberschule Georgi Dimitrow Polytechnische Oberschule Hans Eisler Polytechnische Oberschule Johannes R. Becher Polytechnische Oberschule Juri Gagarin Polytechnische Oberschule Wilhelm Pieck Obelisk Oderwerft Oderwiesen Oskar Nerlinger Otto Schutzmeister Rolf Henrich Regimekritiker Rudolf Bahro Roter Platz mit Ehrenmahl für die gefallenen Soldaten der Roten Armee Schiwiese mit Sprungschanze Schnellgaststätte Automat Schönfließ in der Niederlausitz Schönfließer Kohlebahnbrücke Schwarzes Luch SG Aufbau Eisenhüttenstadt Siebentagsadventisten Sinteranlage Sonderschule Otto Buchwitz Stadtbibliothek Stadthafenweg Städtisches Krankenhaus Städtisches Museum Stadtwappen Stadtwirtschaft Stalinstadt Straße der Republik Straße der Jugend Straße des Komsomol Süßwarenladen Tamara Bunke alias Tania la guerillera Thälmannstraße Tiergehege Turmrede 1953 Udo Beier Volksbuchhandlung Walter Thräne Walter Womacka Wandbild "Menschliche Entwicklung" Wandbild "Produktion in Frieden" Wandbild "Unser Neues Leben" Wandbild "Weltall Erde Mensch" Warmwalzwerk Werftring Werksiedlung Werner Bauer Werner Viertel Wilhelm-Pieck-Straße Willi Markusch Willi Stamm Wolfgang Müller Wohnkomplexe I Wohnkomplexe II Wohnkomplexe III Wohnkomplexe IV Wohnkomplexe V Wohnkomplexe VI Wohnkomplexe VII Wohnstadt Fürstenberg Wohnstadt des EKO Yachtwerft Zementstraße Zwillingsschachtschleuse
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Donnerstag, 14. Juni 2007

Schöner unsere Städter und Dörfler

Nehmt euch ein Vorbild an diesem Papierkorb und verschönert unsere Stadt, denn unsere Heirat, dass sind nicht nur die Städter und Dörfler, sondern auch die Wälder und Felder, weil sie dem Volker gehören, der gehört doch eingesperrt, ausgesperrt, sperrt die Tür ab, sonst geht die ganze Wärme nach draußen, wo der Wind weht und die Glashüttenstraße ist leer, Arme Autos, ich fahre nun schon seit zehn Jahren Zug und immer sind die Schranken runter.

Foto: The A.L.F.
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Dienstag, 12. Juni 2007

Ferienzeit Ferienzeit

Die lieben Kleinen können sie kaum noch erwarten, doch in genau einem Monat ist es endlich soweit: Dann herrscht in Brandenburg Ferienzeit. Quasi zwei Monate Sommer, Sonne, Müggelsee oder Berg und Tal oder Rügen und Aal. Der eine oder andere Dreikäsehoch wird Oma und Opa auf dem Lande besuchen und auf deren Bauernhof mit den Hühnern Cowboy und Indianer spielen. Andere fahren mit den nervigen Eltern nach Mallorca, Mauritius oder auf die Malediven. Den Kindern sozioökonomisch weniger gut gestellter Eltern bleibt vielleicht nur die Wahl zwischen Balkan oder Balkon; was aber nicht weniger schön sein muss, zumal die Malediven die Inseln der übellaunigen Göttinnen sein müssen (mal = schlecht / Diven = Göttinnen).

Egal, wohin die Reise auch geht, ob in die große weite Ferne oder in die Innere Murkelei, am Ende haben die Kleinen einiges erlebt und vieles zu erzählen. Stoff also für den typischen Schulaufsatz "Mein schönstes Ferienerlebnis". Nachfolgend gibt es, zur Einstimmung auf die bevorstehende Auszeit, einen Kurzaufsatz* eines mir unbekannten Eisenhüttenstädter Jungen, der weder mit mir verschwistert noch verbrüdert ist. (* Der Aufsatz erscheint eins zu eins mit allen im Original enthaltenen orthografischen Fehlern, um dem geneigten Leser das kindliche Denken sowohl inhaltlich als auch formell nahe zu bringen.)

Ferienzeit
In den Ferien kann man allerhand unternehmen. das Wetter war herrlich und zum Baden war ess große klasse. Von früh bis abends konnte man sich im Wasser tummeln. Wir hatten Viel Spaß. Manche spielten Wasserball, seegelten und fuhren Boot. esgab auch manchmal zank und streit. aber schnell haben wir uns wieder versönt. Schell wurden Freundschaften geschlossen. Das war ein schönes Erlebnis. Abends fielen wir in den Fernseseles.


Repro: Andi Leser
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Freitag, 8. Juni 2007

Topmodell lotst Leser ins Blog

Hach - da hat er es endlich verraten: Blogbuster Ben von nebenan hat in einem Kommentar offen zugegeben, wie er auf die astronomische Besucherzahl von 40.000 innerhalb eines Jahres gekommen ist. Die Antwort ist Germinas nächstes Topmodel Lena Gercke a.k.a. Lena Gerke. Die bloße Erwähnung ihres falsch geschriebenen Namens lotste allein rund 700 Lustmolche auf die Seiten des EH-Blogs, nicht einmal halb so viele waren an der namensgebenden Eisenhüttenstadt selbst interessiert. Dieser Ausschnitt aus der Realität des Internetzes lässt tief blicken, liebe Leser.

Mit solch billigen Tricks gibt sich euer ergebener Erzähler Andi nicht ab. Einfach Namen wie Heidi Klum oder noch besser/schlimmer Michaela Schaffrath a.k.a. Gina Wild, Tyra Misoux oder Sibel Kekili einstreuen und schon kommt der gaffende Leser. Nee - nicht mit mir! Darauf kann ich gern verzichten. Wir sind ein ehrliches Blog hier.

Donnerstag, 7. Juni 2007

Liechtenstein in Hütte

Lieber Liechtenstein in Hütte
als eine Hütte in Liechtenstein!

Club Hans Marchwitza präsentiert:

Elektro-Pop mit Friedrich Liechtenstein. Friedrich Liechtenstein agiert als MC zu seinen Stücken und bringt ein paar Geschichten aus seinem Universum mit. Da es sehr tanzbare Stücke sind, ist es angebracht, die Tanzschuhe anzuziehen. Unter www.myspace.com/friedrichliechtenstein gibt es schon einen kleinen Vorgeschmack. Dort findet ihr Musik und ein kleines Interview. Friedrich Liechtenstein ist schwer zu beschreiben, aber er "rockt" ungemein und weiß herzlich zu unterhalten. Er ist viel herumgekommen und ein Sohn unserer Stadt, denn hier wurde er als Hans-Holger Friedrich geboren. Man darf also gespannt sein.

Club Marchwitza
8. Juni 2007
21:00 Uhr
Eintritt: 5,00 EUR


Weitere Infos unter:

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Dienstag, 5. Juni 2007

Der Balkongriller von Hütte

"We eat / and we feed / meat."
The Sausages: Barthleby’s Barbecue

Wir haben Juni 2007 und der Frühling geht nahtlos in den Sommer über. Die Pflanzenwelt erblüht in einem orgiastischen Grünstich, die Tiere spielen Fange und die Menschen zieht es raus an die frische Luft, um den rauchigen Duft von zarten Steaks, fetten Rostbratwürsten oder Fisch, gegrilltem, einzuatmen. Darum freue ich mich auch ganz besonders, den stadtbekannten Balkongriller Hans T. Wurst bei sich auf dem Balkon im Diablogespräch begrüßen zu können. Liegt’s womöglich am Namen..?

Leser: Was haben Sie eigentlich auf der Pfanne, Herr Wurst?

Wurst: Das ist natürlich keine Pfanne, sondern ein mit klassischer Holzkohle befeuerter Gartengrill mit vertikal verstellbarem Rost, den ich mir, bedingt durch die Höhe, die ein Balkon so mit sich bringt, zu einem Balkon- und Terrassengrill umgebaut habe. Auf dem Balkon gibt es nunmal bewegte Luft, da habe ich mir aus verzinktem Stahlblech einen Windschutz angeschweißt.

Leser: Wunderbar. Sie sind ja als Balkongriller in ganz Eisenhüttenstadt bekannt. Ich darf mal aufzählen. Also man kennt Sie im ersten Wohnkomplex, man kennt Sie im zweiten Wohnkomplex, man kennt Sie im dritten Wohnkomplex. Und dann im vierten WK, im fünften und sechsten und, äh, in Fürstenberg.

Wurst: Nicht zu vergessen – in Schönfließ.

Leser: Ach genau, in Schönfließ. Gibt es eigentlich einen Stadtteil, in dem Sie noch nicht gegrillt haben?

Wurst: Nein. Ich habe im ersten Wohnkomplex gegrillt, ich habe im zweiten Wohnkomplex gegrillt, im dritten, im vierten und fünften und so weiter. Auch in Fürstenberg und in Schönfließ habe ich gegrillt. Mittlerweile habe ich auch schon in den Ortsteilen Diehlo und Lawitz auf dem Balkon gegrillt.

Leser: Sie kommen ja richtig rum dabei.

Wurst: Ja. Demnächst kommen Vogelsang und vielleicht Möbiskruge dazu.

Leser: Gibt es dort überhaupt Balkons?

Wurst (lacht): Meines Wissens nicht, nur Terrassen. Doch ich grille ohnehin nur mit einem von mir selbstgebauten Balkon- und Terrassengrill.

Leser: Was war denn Ihr höchstes Balkongrillerlebnis?

Wurst: Das war auf dem Balkon eines elfstöckigen Hochhauses im sechsten Wohnkomplex. Die Schwalben flogen direkt an unseren Köpfen vorbei und als es dunkel wurde, gab es stattdessen Fledermäuse. Wir haben damals dieses Krokodilsfleisch auf den Grill gepackt, welches der Balkonbesitzer – er arbeitete damals auf einer Alligatorenfarm – besorgt hatte. Durch die einsetzende Dunkelheit und wohl auch das einsetzende Dunkelbier lagen die Filets viel zu lange auf dem Rost. Das schmeckte dann alles wie Krokodilsleder. (lacht)

Leser: Wir haben uns ja schon vorab ein wenig unterhalten und Sie haben mir dabei erzählt, wie Sie die Wendezeit empfunden haben.

Wurst: Ja. Plötzlich gab es ein verändertes Warenangebot. Es gab auf einmal verschiedene Grillwurstsorten - und zwar gleichzeitig. Außerdem waren die Grillsteaks oft schon eingelegt oder wenigstens vorgewürzt. Auch die Holzkohle war kein Problem mehr. Geben Sie mir mal Ihren Teller, das erste Steak ist fertig.

Leser: Danke, nein. Ich bin Vegetarier.

Wurst: Wie jetzt? Ach, eine Wurst schadet nix. Wurst ist doch kein Fleisch.

Leser: Aber selbstverständlich ist das Fleisch! Ein Toastbrot, eine Scheibe Toastbrot können Sie mir sehr gern auf den Grill packen.

Wurst: Ich hab da noch eine Putenbrust im Kühlschrank.

Leser: Eine Toastbrotscheibe genügt mir. Und etwas Nudelsalat.

Wurst: Und das soll reichen? Kein Fleisch? Wie soll man denn da satt werden?

Leser: Also ich werde satt.

Wurst: Was denn – nur mit Salat? Das ist doch man alles nur zur Zierde, als Garnitur.

Leser: Es gibt noch wesentlich mehr als nur Salat. Es gibt Gemüse: Kartoffeln und Broccoli und Zwiebeln und Sauerkraut und Rotkohl. Es gibt Getreide: Mais, Haferflocken, Weizen, Gerste, Reis, Amaranth, Dinkel und Buchweizen. Daraus kann man Brot, Kuchen, Teigtaschen, Nudeln, Klöße, Plinse, Gnocchi oder Corn Flakes machen. Man kann Eier essen und Quark, Frischkäse oder alten Gauda. Ananas, Bananen, Äpfel, Birnen, Orangen, Mangos, Papayas, Litschis und Weintrauben. Blau-, Brom-, Erd-, Him- und Heidelbeeren. Tomaten, Paprikas, Karotten, Erbsen, Bohnen, Linsen. Melonen, Gurken, Kürbisse und Zucchinis. Cashews, Mandeln, Erd-, Wal- oder Haselnüsse. Marmelade, Schokolade, Remoulade.

Wurst: Und was ist mit Fisch?

Leser: Ess ich. Salz- und Süßwasserfische. Forellen, Aale und Lachse, Thunfische, Rollmops und Sushi. Und Meeresfrüchte: Schrimps, Muscheln, Kalamari, Algen und Seetang.

Wurst: Dann muss ich das eben alles allein essen. Aber das macht nichts, den Rest kann meine Frau später einfrosten.

Leser: Was macht Ihre Frau?

Wurst: Im Fleischerfachgeschäft arbeiten. Da haben wir uns auch kennengelernt, in dem Laden. Sie ist eine waschechte Fleischerstochter und hat ziemlich früh gelernt, wie man die Wurst in den Darm bekommt.

Leser: So, so. Welchen Tipp können Sie dem Leser zum Abschluss mit auf den Weg geben?

Wurst: Man sollte erst Fleisch auf den Grill legen, wenn die Kohle richtig durchgeglüht ist. Dann schließen sich die Poren sofort und das Aroma bleibt erhalten.

Leser: Ich danke für das Gespräch.

Wurst: Und was ist mit der Toastscheibe?

Leser: Die ess ich jetzt gleich. Haben Sie vielleicht noch etwas Ketchup?

Wurst: Hier haben wir Curry-Ketchup, Senf…

Leser: Den guten Bautzener Senf?

Wurst: Ja genau. Chili-Ketchup, Grillsoße und auch Knoblauchsauce.

Leser: Keinen Werder-Ketchup?

Wurst: Äh, nein.

Leser: Dann den Curry-Ketchup.
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Mittwoch, 30. Mai 2007

Lutschpartie. Der Film.

"Girls on film / Girls on film." (Duran Duran)

Filmbühne Eisenhüttenstadt. Der andere deutsche Film hat seit der deutschen Wiedervereinigung die ostdeutsche Provinz für sich entdeckt. Detlef Bucks "Wir können auch anders" führte uns ins tiefste und zugleich platteste Vorpommern; Andreas Dresen filmte die "Halbe Treppe" in Frankfurt, der Oderstadt, wo auch Hans-Christian Schmid, der Regisseur von "23 - Nicht ist so wie es scheint", überall "Lichter" sah. Außerdem wäre da noch "Schultze get’s the blues" von Michael Schorr zu nennen. Auch Eisenhüttenstadt wurde eine beachtliche Aufmerksamkeit zuteil. Jüngst entstanden hier/dort die Filme "Lunik" unter der Regie von Gilbert Beronneau und "Wieder wurde Stahl gehärtet" von Mark Hundertpfennig.

Heuer, 2007, hat Knut Schmitt seinen neuesten Film "Lutschpartie" fertiggestellt, und zwar in diesem unseren Metallurgenstädtchen. Schmitt ist Regisseur von so kontroversen Filmen wie "Warschauer, packt ein!" (1996), "Eier flogen über das Kumpelnest" (2000), "Einer geht noch rein" (2001), "Habt ihr Herpes, dann vererbt es" (2001) oder "Gevögelt wird zu Hause" (2002). Der Berliner Filmemacher stand dem höchst dankbaren Logbuch in persona non data Andi Leser für ein kurzes Interview zur Verfügung.

Leser: Ich habe Ihren Film vorab…

Schmitt: Sie dürfen mich ruhig duzen.

Leser: Sehr gern. Ich habe vorab einige Ausschnitte deines Film sehen können und ich muss sagen, ich bin wieder einmal überrascht. Teilweise fühlt man sich an David Lunch erinnert, andererseits an Martin Highscorcese oder Oliver Stoned. Etwas ungewöhnlich für einen deutschen Regisseur. Kannst du deinen Film für die Leser in drei Sätzen zusammenfassen?

Schmitt: Nun, "Lutschpartie" handelt – wie der Titel es schon andeutet – von der Macht unserer Mundes. Die Natur hat uns einen Mund gegeben und eine Zunge, um sie zu benutzen. Wir sollen es aussprechen, das bisher Unbenannte. In meinem Film geht es vordergründig darum, dass die Triebkräfte der Macht und des Sicherhebens über andere letzendlich durch den Akt der Liebe aufgehoben werden können.

Leser: Aha. Mir ist aufgefallen, dass Sie in Ihrem, äh, du in deinem Film anscheinend nur unbekannte Schauspielerinnen aus Osteuropa…

Schmitt: Das muss ich sogleich relativieren und klarstellen. Es sind keine Darstellerinnen aus Osteuropa. Osteuropa, das klingt so nach Osten, nach Polen, Ukraine und Russland klingt das, oder Moldawien. Doch bis auf Polen sind diese Länder überhaupt nicht vertreten. Durch viel Überredungskraft konnte ich Darstellerinnen aus Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Litauen, Lettland und Estland begeistern. Moment, habe ich jemanden vergessen? Alles schöne Länder übrigens.

Leser: Und warum einen ganzen Film nur mit Amateurschauspielern? Das Casting muss doch die reinste Syphilisarbeit gewesen sein?

Schmitt: Das Publikum soll sich den Film ohne Vorurteile gegenüber den Darstellern und Darstellerinnen anschauen. Die völlig unbekannten Protagonisten meines Europadramas sollen im Zuschauer keine vorgefertigten Projizierungen wecken und transportieren. Ich wollte allein die Sprache der Bilder, die Sprache des Films auf den Zuschauer wirken lassen.

Leser: Aus welchem Grund sind die Mitwirkenden die meiste Zeit über nackt?

Schmitt: Nacktheit, also das völlige Fehlen von verhüllender und verdeckender Bekleidung, zeigt den natürlichen Menschen, so wie er wirklich ist. Verletzlich, ohne Sichtschutz und stützende Korsette und Maskerade und Abzeichen, Uniformen und Firmenlogos. Die Filmhandlung in "Lutschpartie" ist nackt, reduziert auf das Wesentliche.

Leser: Was ist das Wesentliche?

Schmitt: Die Liebe ist das Wesentliche.

Leser: Es gibt in deinem Film eine Szene, da werden zwei Frauen, die auf allen Vieren herumkriechen, von mehreren Männern in diversen Koituspositionen penetriert.

Schmitt: Ja. Die Frauen dieser Szene, sie symbolisieren das weibliche Prinzip, stammen aus Bulgarien und Rumänien; das männliche Prinzip aus Deutschland, Italien, Großbritannien, Spanien und das durch einen einzigen Darsteller personifizierte Skandinavien. Die Szenerie thematisiert die Aufnahme der beiden Staaten, also Bulgarien und Rumänien – alles schöne Länder übrigens –, in die Europäische Kopulation. Und Frankreich, ich hatte Frankreich vergessen. Frankreich als männliches Prinzip.

Leser: Wenn ich das richtig deute, dann symbolisiert Adam das alte, das herrschende Europa der zwölf EG-Staaten und Eva ist der ehemalige Ostblock, die unterwürfige und unterlegene Seite?

Schmitt: Mehr oder weniger. Doch die Unterschiede, das emotionale Gefälle zwischen den agierenden Partnern wird durch den Akt der Liebe ausgeglichen. Kraft der Liebe wird Europa ein Ganzes, wird eins.

Leser: Die Handlung als solche ist völlig fiktiv?

Schmitt: Und wie!

Leser: Welche Aufgabe fällt denn Eisenhüttenstadt dabei zu?

Schmitt: Es gab viele leerstehende Wohnungen als Drehkulisse. Wir konnten in den unterschiedlichsten Räumen filmen, von der Einraumwohnung bis zur Hotel-Suite. Auch die Umgebung von Eisenhüttenstadt ist sehr schön.

Leser: Schmitt, äh, Knut, ich danke dir für das Interview. Wann können wir deinen Film in den Kinos sehen?

Schmitt: Erstmal muss ich einen geeigneten Verleih finden, dann sehen wir weiter. Die Verhandlungen laufen schon. Ich denke mal im Herbst, Oktober, oder eher November.

Leser: Auf Wiedersehen.

Schmitt: Ja, alles Gute.
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Dienstag, 29. Mai 2007

Platz 1 bei Yahoogle

Wer dieser Tage die drei größten Dramen des Jahres 1988 in der BR Deutschland als Trinität yahoogelt, wird dabei als erstes auf das Logbuch Stahlinstadt stoßen (siehe Bild oben und unten - zur Vergrößerung bitte Bilder anklicken). Die Katastrophen sind dabei in allen drei Fällen mit den als Kulissse dienenden Ortsnamen verbunden: Gladbeck, Remscheid und Ramstein (nur mit einem "m"). Dabei handelt es sich um das Gladbecker Geiseldrama vom August, um das Flugtageunglück von Ramstein (mit nur einem "m") am 28. August, sowie um den Flugzeugabsturz von Remscheid vom 8. Dezember. Trotz dieser westdeutschen Ortsnamen beschäftigt sich der verlinkte Artikel jedoch ausschließlich mit der Stadt, die wir alle so sehr ins Erz geschlossen haben: Eisenhüttenstadt feat. Fürstenberg an der Oder.

Samstag, 26. Mai 2007

Zeit-/Augenzeugen im Gespräch

"If you know your history, then you would know where you coming from."
(Bob Marley: Buffalo Soldier)

Wer sich so wie ich oder Ben Kaden, ein Nachfahre des großen Historikers Zie Kaden (1851-1922), oder wie die Schüler der AG Geschichte am Otto-Buchwitz-Gymnasium in der Glashüttenstraße intensiv mit der Vergangenheit von Eisenhüttenstadt beschäftigt, der ist immer wieder dankbar, wenn er durch den Kontakt mit Zeitzeugen seine bisherigen Ortskenntnisse vertiefen kann. Zeitzeugen tragen durch ihre individuellen Lebenserfahrungen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Verstehen der geschichtlichen Zusammenhänge mit bei. Die große Weltgeschichte spiegelt sich hierbei in ganz persönlichen Lebensgeschichten wider. Die Geschichtsforschung hat für diese Art der Generationsbefragung sogar ein eigenes Fachgebiet eingerichtet, die oral history. Oral (engl.: durch die Ohren) steht für das Zuhören im Allgemeinen, oral history meint demnach gehörte Geschichte.

Jüngst hatte euer ergebener Erzähler Andi Leser das unverhoffte Glück und konnte ein Interview mit drei berenteten Fürstenberger Urgesteinen führen. Die drei waren Wilhelm Gladbeck (†88), Udo Ramstein (†88) und Peter Remscheid (†88).

Leser: Wie war das denn so, als 1950 damit begonnen wurde, auf Pfeiffers Acker zuerst das Eisenwerk und dann, später, eine neue Stadt zu bauen?

Gladbeck: Ja, das war so, ich entsinne mich noch genau, es war Sommer, der Sommer 1950, da kamen hier plötzlich so viele fremde Menschen in den Ort…

Leser: Sie meinen Fürstenberg an der Oder?

Gladbeck: Ja, klar, wohin denn sonst. Also, da kamen auf einen Schlag so viele fremde Menschen in den Ort, also nach Fürstenberg, und niemand kannte die.

Remscheid: Genau. Alles Fremde. Die kamen mit Sicherheit nicht von hier. Und dann, wie die dann angefangen haben mit dem Bau von dem Eisenwerk, da…

Leser: Sie meinen das Eisenhüttenkombinat Ost, kurz EKO, welches heute Mittal Eisenhüttenstadt heißt.

Remscheid: Äh, ja. Na jedenfalls wie die dann angefangen haben mit Bauen, das war im August, ein ziemlich heißer Sommer, wenn ich mich richtig erinnere…

Ramstein: Ja, du erinnerst dich richtig. Es war sehr trocken gewesen, damals. Erst ist das Getreide vertrocknet und dann die Kartoffeln, nicht wahr? Die konnten wir dann nur noch als Kartoffelchips verkaufen, was zu der Zeit noch völlig unbekannt war, nicht wahr? Die Leute haben das dann nicht gekauft, die Säcke standen ewig in der Scheune herum und wir mussten ordentlich Salz dran tun, damit uns das Zeug nicht verdirbt, nicht wahr?

Leser: Doch jetzt wieder zurück zum Eisenwerk. Herr Remscheid, wie war das denn mit dem Eisenwerk und der neuen Stadt?

Remscheid: Was meinen Sie da konkret?

Leser: Äh, die Anfangsjahre. Die Zeit des Aufbaus. Sie wollten doch gerade davon erzählen.

Remscheid: Irgendwie habe ich den Faden verloren. Er war jedenfalls sehr heiß damals. Heiß und trocken. Meine Frau war den ganzen Tag mit Blumengießen beschäftigt.

Leser: Herr Ramstein, Sie können sich doch sicher noch an den August von 1950 erinnern? Wie haben Sie das erlebt?

Ramstein: Ja, das kann ich gut. Ich lebte zu der Zeit noch in Jüterbog und arbeitete als Kirschenentkerner.

Leser: Ach, ein Zugezogener.

Ramstein: Dort habe ich dann meine spätere Frau kennengelernt, Amalie. Das war genau am 18. August 1950, nicht wahr? Nie werde ich diesen Tag vergessen. Amalie arbeitete damals als Körbeverkäuferin. Hin und wieder ging ich in den Laden, wo sie als Verkäuferin angestellt war, und holte mir einen Korb für meine Kirschen, nicht wahr? Einmal nahm ich allen Mut zusammen und sagte ihr, das sie für mich die schönste Kirsche sei. Daraufhin…

Leser: Jaja, sehr schön. Was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als Sie vom Aufbau der EKO-Wohnstadt, wie Eisenhüttenstadt anfänglich geheißen wurde, hörten?

Ramstein: Ich dachte sofort: Da geh ich hin mit meiner Amalie. Es gibt neue Wohnungen, so hieß es, und auch Arbeit, nicht wahr? Dann 1951 kam mein Ältester auf die Welt, der Jürgen.

Leser: Ah, so. Herr Gladbeck, und was ging Ihnen durch den Kopf?

Gladbeck: Vieles. Sehr vieles. Der Krieg war ja nu gerade vorbei und die neue Regierung hatte sich vieles in den Kopf gesetzt. Ich selbst war da immer skeptisch und dachte nur: Wenn ihr euch da mal nicht verrennt. Wenn ihr euch nur nicht verrennt. Ich sollte recht behalten.

Leser: Wie wirkte sich der Aufbau von Stalinstadt auf Ihr Leben aus, Herr Remscheid?

Remscheid: Wie dann so der Bau begann, waren plötzlich sehr viele Fremde in Fürstenberg. Ging man zum Beispiel abends in eine Kneipe oder auch tagsüber zum Einkaufen, dann waren da überall fremde Menschen. Man wusste nicht, was sind das für welche. Die benahmen sich irgendwie ganz anders und anders gesprochen haben sie auch. Das hätte es früher nicht gegeben.

Leser: Herr Gladbeck, Herr Ramstein, Herr Remscheid – ich danke Ihnen für das informative Gespräch und wünsche Ihnen noch viele schöne Sonnentage in Ihrem weiteren Leben.

Anmerkung: Wen Gott liebt, den ruft er zu sich. Kurz nach dem Interview verstarben die drei Fürstenberger Originale in kurzen Abständen nacheinander. Unschätzbare Zeitzeugen des aufkeimenden Lebens in der "Ersten Sozialistischen Stadt auf deutschem Boden" sind dadurch für immer entschwunden. Dieses Interview stellt somit auch eine Art Vermächtnis dar, welches die Nachkommenden gemahnen soll, sich wider das Vergessen zu stemmen und aufrecht durchs Leben zu gähnen.

HDR-Fotografie: zickenines (flickr)
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