Selbst-Anzeige

Mittwoch, 10. November 2010

Romantisch verklärte Heimwehen


"Wie traurig geht dahin, wer euch verlässt, bei denen er aufwuchs! Selbst wer aus freier Wahl, sein Glück zu suchen, voll Hoffnung seinen Schritt ins Ferne lenkt, fühlt, wie sein Traum verblasst in solcher Stunde. Ihn wundert dann sein Entschluss. Schwermütig und zerstreut gelangt er in den Lärm der Städte mit ihren Häusern neben Häusern und Straßen neben Straßen. Ihm ist dann, als nähmen sie die Luft zum Atmen. Vor den Gebäuden, die er anstaunt, denkt er mit Sehnsucht an die Heimatflur, das kleine Haus, das lang schon ihn lockt und das er kaufen wird, wenn er einmal reich wiederkehren wird in seine Berge."

(Alessandro Manzoni: Die Verlobten)

Samstag, 24. April 2010

Ute sacht: Gute Nacht!


Anlässlich der Re:publica, dem Ferienwochenende der deutschen Bloggerinnen und Blogger, hat das Inforadio meinen guten Spielkameraden und Blognachbarn Ben aufgesucht. Um mit ihm ein Interview über die Stadt zu machen, die wir alle so liebhaben. Das Interview steht leider nicht mehr online, zumindest scheiterten meine Aufrufversuche kläglich. Am Ende sagte Ben etwas, dass mich sehr hellhörig werden ließ. Er meinte etwas von einer Müdigkeit, die ihn bezüglich des Bloggens über, um und aus Eisenhüttenstadt erfasst habe, obwohl das allgemeine Interesse so groß sei wie nie zuvor. Mit diesem Gefühl ist er nicht allein.

Es war im Frühjahr des Jahres 2006, als das "Eisenhüttenstadt-Blog – Weblog für eine alternative Stadtwahrnehmung" auf Sendung ging. Zwei Wochen später kam mir durch eine plötzliche Eingebung dieselbe Idee und ich gründete ohne Wissen des anderen das "Logbuch Stahl(in)stadt" – ein Weblog über na-was-wohl. Damals muss etwas in der Luft gewesen sein, was ich mit akuter Bloggeritis bezeichnen möchte, denn Blogs schossen wie Shiitakepilze aus der Borke. Von Beginn an kooperierten beide Blogs miteinander.

Ben und Andi, wir warfen uns die Bälle hin und her, gingen gemeinsam auf unzählige Foto-Stadt-Safaris, planten planlose Stadtführungen durch die Planstadt, tauschten uns rege über die Geschichte der Stadt und eigene Kindheitserinnerungen aus und machten sogar eine Exkursion nach Hoyerswerda, der zweiten sozialistischen Planstadt der DDR, ein städtischer Albtraum. Wir dichteten und kalauerten, bis unsere Gehirne glühten und telepathische Druckwellen ins Stadtzentrum schickten. Wir neckten, stritten und vertrugen uns. Wir initiierten Fotowettbewerbe auf Flickr und Infoduelle auf unseren Blogs. Nebenher entstand ein kleines Stadtwiki namens Wikihüttenstadt, das immer noch seiner Fertigstellung harrt. Auf diesem Weg geht übrigens ein herzliches Dankeschön an Silvio Kunze, der die technischen Grundlagen des Wikis und manch anderer Sachen bereitstellte und die meiste Zeit unsichtbar im Hintergrund wirkte. So haben wir uns gegenseitig angespornt, Rückkopplung durch Feedback, und ich bin erst dadurch soweit gekommen, bis hierhin, aber nicht weiter.

Auch wenn ich mal behauptet habe, der Schreibstoff würde nicht ausgehen, da die Unendlichkeit in jedem kleinen Krümel Hausputz stecken würde, hatte ich bald das Gefühl, alles über Eisenhüttenstadt gesagt und geschrieben und jeden Winkel der Stadt aus allen Winkeln der Stadt fotografiert zu haben. Langsam wurde ich des Themas müde, meine Aufmerksamkeit verschob sich mehr zu anderen Dingen. Mehr als einmal habe ich alles hingeschmissen, das erste Mal schon ein Jahr nach Gründung des Log-/Lobbuches. Mittlerweile erscheint mir Eisenhüttenstadt ferner als Kafiristan, Baktrien oder Trapezunt; ferner interessieren mich mittlerweile andere Planstädte viel eher, da sie neue ästhetische Reize bieten. Im März 2010 weilte ich das erste Mal in Neuruppin und Neustrelitz, zwei geplante Hausansammlungen. Die eine klassizistisch, die andere eine barocke Stadtanlage. Wenn man im seltsam schönen Neustrelitz vom Kirchturm herunterschaut, dann bietet sich einem übrigens dieser schicke Kreisverkehr auf dem Foto oben dar.

Um es kurz zu machen: Eisenhüttenstadt! Es war eine schöne Zeit, es ist eine schwere Zeit und es wird langsam Zeit, Abschied zu nehmen. Ich mache es der Tunnelstraße gleich und verschwinde von hier. Tschüs Ben! Tschüs Leser! Tschüs Hütte, altes Haus! Vielleicht mache ich demnächst ein Blog über "Pornografie und Grammatik in Afghanistan" oder "Heilserwartungen in Ernährungsfragen" oder "Die Novalis-Rezeption im Jamaica-Reggae" oder anderen kulturwissenschaftlichen Unsinn. Vielleicht aber auch nicht. Mein Tipp: Schaltet bis dahin die Rechner aus und begebt euch zur Abwechselung an die frische Luft! Fahrt nach Neuhardenberg und Neubrandenburg, nach Bad Freienwalde und Bernau! Besucht die Reuterstadt, die Fontanestadt oder die Kleiststadt! Raus mit euch! Adé!

Foto: Alessandro Minutoli

Sonntag, 11. April 2010

Tunnelstraße


Tschüssi Tunnelstraße!

Samstag, 10. April 2010

Ende Tunnelstraße


Tschüssi Tunnelstraße!

Freitag, 9. April 2010

Ende der Tunnelstraße


Tschüssi Tunnelstraße!

Donnerstag, 8. April 2010

Mittwoch, 7. April 2010

Licht am Ende der Tunnelstraße


Ein Block verschwindet, die Erinnerungen verblassen. Tschüssi Tunnelstraße!

Dienstag, 6. April 2010

Viel Licht am Ende der Tunnelstraße


An Ostern, diesem christlich überformten Frühlingsfest, zieht es so manchen in die alte Heimat, Familie, Freunde und Verwandte besuchen. Doof nur, wenn die Heimat nicht mehr steht, da sie einem so genannten Stadtumbau - Euphemismus für großflächigen Häuserabriss - zum Opfel fiel. Aber warum viel Aufriss um einen Abriss machen, wenn man ihn ins rechte Bild setzen kann? In einer Bilderreihe im Lobbuch Stahlinstadt soll der Abschied vom Wohnhof in der Tunnelstraße erleichtert werden. So schön war es doch gar nicht, alles Platte, alles grau, alles rechtwinklig, alles am Rande der Stadt und doch viel zu nahe an einer Schnellstraße. Wurde Zeit, das dieser plattentektonische Durchfall wegkommt. Augen auf, es ändert sich was! Bald wird die Lücke im linken Bildbereich größer sein und das ganze fotografierte Ensemble schlucken. Schon jetzt heißt es: Tschüssi Tunnelstraße!

Samstag, 27. März 2010

E.i.h.ü.: Brandenburg an der Havel


Da habe ich vor einigen Tagen gleich drei Einträge über Neubrandenburg bzw. Neu-Neubrandenburg gepostet und dabei kein einziges Wort über das Original verloren. Nicht nur am Tollensesee stehen tolle Fünfzigerjahrebauten, nein, auch an der Havel wurde gezuckerbäckert. Als bildlichen Einstieg wähle ich hier+heute ein ostiges Wandbild und das aus gutem Grund. Wer mit dem Zug nach Brandenburg düst - es ist der RE1 - dem "wändet" (hier: von Wand) die Stadt diese Seite zu. Ein Plattenbau (von dem mir nicht klar ist, ob er noch steht, denn er war letztes Jahr, als dieses Foto entstandt, gut eingezäunt) zeigt ein überdimensionales Weibsbild. Es ist "Die Stahlarbeiterin", einziger Farbtupfer in einer ansonsten von grauen Männern dominierten Arbeitsumgebung. Richtig, Brandenburg war einst Stahlstadt und durch das Bandstahlkombinat Hermann Matern mit Eisenhüttenstadt verbunden.


Dringt der spazierende Betrachter dann tiefer in die Stadt ein und verliert sich im Häuserlabyrinth, als das sich jede unbekannte Stadt ohne Stadtplan erweist, außer es handelt sich um eine Planstadt, wird er früher oder später das Haus der Sonne sehen. Lass die Sonne an dein Haus, so singt's der Wind in Brandenburg. Ob die Bewohner ein sonniges Gemüt besitzen? Wir wollen nicht gleich von der äußeren Hülle auf den Charakter eines Menschen schließen, aber schön wär's doch.


Irgendwann überquert der Stadtläufer die Havel und landet in der ursprünglichen Altstadt von Brandenburg, zumindest muss hier die mittelalterliche Keimzelle gewesen sein. Ein Andi Leser fühlt so etwas - die gotischen Kirchen verraten es mir. In der Nähe eine dieser Kirchen, genauer gesagt: am Paulikloster, das heute als Archäologisches Landesmuseum dient, entdeckte ich ein kleines Eisenhüttenstadt. E.i.h.ü. - Eisenhüttenstadt ist halt überall. Die Bauten aus den 1950er Jahren sind mittlerweile schick saniert und sehen aus wie Spielzeug oder Kulisse und mir fällt's wieder ein: Früher, als alle diese Bauten noch nicht modernisiert waren, trauerten sie DDR-weit in einem einheitlichen Grau-Braun (=Graun), so dass sie sich noch ähnlicher sahen und der Dejavu-Effekt stärker.

Ein Traum von mir war es immer einen Film zu drehen, in dem alle diese Bauten vom Beginn der Fünfziger Jahre als ebendas dienen: als Kulisse. Im Film sollte der Zuschauer aber nicht mehr sehen können, in welcher Stadt die Handlung abläuft, denn all die Hausdurchgänge, Pilaster, Säulen und Ornamente ergeben einen virtuellen Stadtraum. Das ist die Grundidee, die Handlung war mir damals nicht ganz klar und wird es auch nicht mehr werden, denn die Bauten sind mittlerweile nicht mehr graun sondern positivgelb oder papyrusweiß oder rosaparks inmitten von Autoparkplätzen. Vielleicht mach ich's ja doch irgendwann, einen melancholischen Streifen in Schwarzweiß, da dominieren die Farbsünden nicht allzu sehr. Von E.i.h.ü. in Brandenburg gibt es leider nur dieses eine Bild - mein Speicherchip war bereits voll und kein Löschkandidat mehr übrig.


Dieses Foto habe ich zuvor geknipst, präsentiere es aber zum Abschluss, denn es enthält die Abschiedsbotschaft: IFA wieder heim. Tschüß Brandenburg! Hallo Berlin!

Fotos: Vier Stück

Sonntag, 21. März 2010

E.i.h.ü.: Bad Freienwalde


Letztes Jahr tourte euer ergebener Stadtanachronist Andi Leser durch die Mark Brandenburg und weilte dabei auch im wunderschönen Bad Freienwalde, dem lieblichen Kurort am Rande des Oderbruchs. In der ältesten Kurstadt der Mark (seit 1684) verbrachte die preußische Königswitwe Friederike von Hessen-Darmstadt um 1800 ihren Lebensabend. Das oben abgebildete Witwenschloss war nach Plänen des Architekten David Gilly entstanden, der auch den klassizistischen Umbau des barocken Schloss Steinhöfel bei Fürstenwalde vollbrachte (Tipp: unbedingt Schloss und Park besuchen). Das Freienwalder Schloss wurde 1909 von Walter Rathenau gekauft und aufgehübscht. Rathenau fiel 1922 als Außenminister der Weimarer Republik einem Attentat von Antisemiten zum Opfer, die ihn mit einer Handgranate ermordeten. Allerdings in der Berliner Königsallee. Sieben Jahre später wurde im Wald von Bad Freienwalde die Prostituierte Emilie Parsunke aus Bernau, genannt "Mieze", damalige Geliebte des ehemaligen Zuchthäuslers Franz Biberkopf, von dem grobschlächtigen Luden Reinhold ermordet. Allerdings fand dieser Mord nur im Buch "Berlin Alexanderplatz" von Alfred Döblin statt - oder wahlweise vor einigen Monaten in der Berliner Schaubühne und mit einem großartigen und glaubwürdigen Sebastian Nakajew als Franzeken Biberkopf in der Hauptrolle.


Doch nun zum eigentlichen Thema. Eisenhüttenstadt ist halt überall (E.i.h.ü.), eben auch im halb klassizistischen, halb gründerzeitlichen Bad Freienwalde. Wenn man nämlich vom Bahnhof kommend auf gerader Straße zum Marktplatz mit Rahthaus und Kirche und Museum sich begibt, dann sieht man auf halber Strecke das alte Postgebäude stehen. Die neoklassizistisch beeinflusste Architektur verrät die Zugehörigkeit zur Epoche der Nationalen Bautradition der DDR und somit auch die 1950er Jahre als Aufbauzeit. Der gelbe Briefkasten vor der Tür (heute: Deutsche Post) und die grau-rosa Telefonzelle (heute: Telekom) sowie die zahlreichen Details an der Fassade verraten die angedachte Funktion und Nutzung als Postamt.


Leider passten nicht alle - mir will die korrekte Bezeichnung nicht einfallen, nennen wir sie halbplastische Fassadenbilder aufs Bild. Was ist zu sehen? Symbole sind zu sehen, Symbole, die etwas über die verschiedenen Epochen der Kommunikation vermitteln. Ein Hut mit Peitsche (der Postkutscher), ein Posthorn (hier: Symbol der DDR-Post), ein Telefon (Stasi?, kleiner Scherz), eine Taube mit Kuvert im Schnabel (poetisches Bild einer Brieftaube). Falls noch nicht geschehen, stelle ich dieses Haus hiermit unter Denkmalschutz, notfalls unter meinen persönlichen. Zum heutigen Frühlingsbeginn kann ich Bad Freienwalde als Ausflugsziel uneingeschränkt empfehlen, Bedingung ist wie so oft, das Wetter muss mitspielen.

Fotos: alle3vonmir

Samstag, 20. März 2010

E.i.h.ü.: Hansestadt Stralsund


Eisenhüttenstadt ist halt überall, lautet die Botschaft. Auch in der altehrwürdigen Hansestadt Stralsund, deren Bewohner als Weltkulturerben eher mit mittelalterlicher Weltkultur werben. Doch in einer Seitenstraße, versteckt hinter gotischen Backsteinfassaden und barocken Volutengiebeln, oxidiert ein Häuschen vor sich hin, das seinesgleichen sucht, aber nicht findet. Das Haus erstreckt sich über die Semlower Straße 39-40-41, es kann aber auch eine andere Straße sein, so genau hat sich das Gedächtnis den Standort nicht eingeprägt. Errichtet im Jahr 1952, die Inschrift über dem Torbogen gibt Auskunft, steht heute dieses Kleinod der Epoche einer "Nationalen Bautradition der DDR" unbewohnt und leer im Schatten der stolzen Hansearchitektur, wie ein junges Mädchen, das sich der eigenen Schönheit nicht bewusst ist. Etwas sehr poetisch, mag sein, doch es gilt, die Liebe des Lesers zu wecken, um eine baldige Sanierung voranzubringen.


Die Fassade ist klar gegliedert, typisch für den gepflegten Neoklassizismus. Pilaster, Gesimse und quadratische Kastenfenster strukturieren die Wandfläche. Untypisch und höchst originell sind die aufgebrachten Bildchen mit Schiffen und Fischen, die einen Bezug zur Stadt herstellen und besonders aufmerksamen Kindern Orientierung im Stadtraum verschaffen: "Mama, Mama, schau mal da, der Fisch! Kuck mal, Papa, das Schiff!" Es sind die Details, die Gemütlichkeit und Heimeligkeit erzeugen, was moderner Glashausarchitektur leider abgeht - die Morderne. Das Wetter und somit die Lichtverhältnisse vor Ort waren leider nicht so eitel optimal, sonst hätten es leicht ein paar mehr Fotos werden können, denn ich befand das Haus den nebenstehenden ebenbürtig.


Fotos: Me, Myself & I

Freitag, 19. März 2010

Neubrandenburg: Buntesbild aus Bundesarchiv


"Euer Stadtanachronist Andi Leser ist zwar schwer auf Draht, doch in Zeiten des WLANs ist so etwas nicht mehr ganz zeitgemäß." (Heidi Kabul) Ja, das Zitat hat recht, ich hechte immer erst hinterher hinterher, doch was soll's. Das liebeliebe Eisenhüttenstadtblog punktet im Gesichtsbuch (Facebook) mit Archivaufnahmen aus der Gründerzeit der Stalinstadt. Schnell will ich da ein Bild des Bundesarchivs nachlegen, das 1959 in meiner aktuellen Themenstadt Neubrandenburg aufgenommen wurde und welches ich in der liebenlieben Wikipedia entdeckt hatte.

Der abgebildete Block aus den 1950ern ist mit ziemlicher Sicherheit derjenige, der zwei Blogeinträge zuvor als gespiegelter Bau zu sehen war. Man beachte die Mittelrisaliten mit den Renaissancegiebeln - oder ist's schon Barock? Im Sockelbereich fehlt noch die Sandsteinverkleidung, wir sehen blanke Ziegel. Die Flaggen, die dort aus den Fensterlöchern ragen, sehen mir aus wie Deutschlandfahnen ohne Hammel und Zirkel. Kann das sein? Sieh genau hin, lieber Leser, denn das schult das Auge.

Foto: Deutsches Bundesarchiv

Neubrandenburg: Modellstadt umgemodelt


Lange Zeit wurde nicht mehr von hier nach dort verwiesen. Warum eigentlich? Heute aber nun doch. Im Eisenhüttenstadt-Blog ist unter "Das Verschieben der Neigung" ein wunderschönet Foto vom VII. Wohnkomplex abgebildet, mit psychedelisch ausgeleuchtetem Himmel und in simulierter Tilt-Shift-Optik, was dazu führt, dass die Realität wie ein Modell aussieht und der gemeine Betrachter bald wirklich nicht mehr zwischen Wahrheit und Wirklichkeit unterscheiden kann.

Von meiner jüngsten Städtereise nach Neubrandenburg ist ein Foto übrig geblieben, welches ebenfalls eine reale Stadt wie ein Modell aussehen lässt, noch dazu wie aus einem Guss. Ist natürlich alles Trick, Neu-Neubrandenburg wurde einfach digital umgemodelt, mit dem selben Spritzgussverfahren, dass schon in James Camerons Terminator I Verwendung gefunden hat.

Donnerstag, 18. März 2010

E.i.h.ü.: Viertorestadt Neubrandenburg


Eisenhüttenstadt ist halt überall (E.i.h.ü.). So lautet das Motto. Gemeint ist das Dejavu eines Hüttenstädters, das sich einstellt, wenn er in eine bisher unbekannte Stadt kommt und dort etwas in der Häuserarchitektur vertrautes sieht, genauer gesagt, Bauten, die aussehen, wie die in den ersten drei Wohnkomplexen. Dieses Dejavu hat mit dem Baustil zu tun, der überall in der DDR vorherrschend war, zumindest in den ersten fünf bis sechs Jahren der noch jungen Republik. Dieses Dejavu hat mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun, der überall in Deutschland innerstädtische Baulücken oder vielmehr Brachland hinterließ. Das Dejavu hat aber auch damit zu tun, dass die DDR eine Diktatur war, denn nur ein zentraler Herrscherwille mit absolutem Machtanspruch konnte im gesamten Land einen einheitlichen Architekturstil per Beschluss verordnen. Aus diesem Grund finden wir Fassaden im Sinne einer "Nationalen Bautradition" in verschiedenen Städten Ostdeutschlands. In Stalinstadt, in der Berliner Stalinallee, in Dresden, in Schwedt, in Brandenburg, ... - und eben in Neubrandenburg.


Die Stadt am Tollensesee gibt es seit 1248, obwohl die vorausgegangene Klostergründung am 18. August 1170 vom Datum her passender klingt, denn auch Eisenhüttenstadt wurde an einem 18. August gegründet, nur eben 780 Jahre später. Leider wurde die Innenstadt von Nigen-Bramborg (plattdeutsche Bezeichnung) am 29. April 1945 kriegsbedingt zerstört, vermutlich ein Racheakt der Roten Armee. Zu DDR-Zeiten durfte dies nicht offen thematisiert werden, es galt der Mythos vom Noble Savage Rotarmisten. Dafür wurde ab 1952 wiederaufgebaut. Übrig geblieben war eigentlich nur die alte Stadtmauer, die das Trümmerfeld (als solches sehe ich das Zentrum vor meinem geistigen Auge) umschließt und mit ihren vier Toren und den 24 Wiekhäusern allerdings ziemlich komplett erhalten ist.


Nun hatte man das Problem: das Eckige muss ins Runde, die modernen Wohnkästen mussten ins Rund der Stadtmauer eingepasst werden. Der Wiederaufbau orientierte sich am alten Straßenverlauf, die Bauten bekamen individuelle Fassaden, Renaissancegiebel, Mittelrisaliten, Portale und diesen ganzen Zuckerbäckerschnörkel, der diese Architektur auszeichnet und schnell erkennbar macht. So entstand analog zur Stalinstadt die wohl erste sozialistische Innenstadt der DDR. Das Schicksal der von einer mittelalterlichen Stadtmauer umzingelten sozialistischen Innenstadt sollte übrigens 20 Jahre später Bernau bei Berlin auch ereilen, nur dass hier nicht Rotarmisten Schuld an der Zerstörung der historischen Bausubstanz tragen, sondern die Planwirtschaftbürokratie mit ihren fantasielosen Miesepetern und geschichtslosen Schreibtischtätern.

Eisenhüttenstadt ist halt überall, auch in der Viertorestadt Neubrandenburg.

Donnerstag, 11. Februar 2010

Dienstag, 9. Februar 2010

Top 100: Lesen und lesen lassen


Ab und an rauscht ein Mitmachspielchen durch die Blogwelt wie eine Wintergrippe durch die Kinderkrippe. Bisher habe ich Abstand gehalten, doch diesmal hat es mich erwischt. Das Stöckchen heißt "Deutsche Top 100 der Bücher". Die Toplist ist vorgegeben und nicht sehr aktuell, das ZDF hatte sie 2004 mit Zuschauerhilfe (Hausfrauen und Senioren) erstellt.

Wenn jemand Andi Leser heißt, kann er dieses Thema selbstverständlich nicht an sich vorüberziehen lassen tun. Nun habe ich die Liste kurz überflogen und musste feststellen, dass ich alle Bücher kannte – bis auf die Harry-Potter-Romane, die habe ich andere lesen lassen.

1. Der Herr der Ringe, J. R. R. Tolkien
Zuerst habe ich natürlich den Hobbit gelesen, bevor ich den Rest in einer Mittagspause verschlang.

2. Die Bibel
Teile des Inhalts sind mittlerweile vom Stand der Wissenschaft überholt, aber die Stelle, wo Mohammed nach Jerusalem fliegt, ist unvergesslich.

3. Die Säulen der Erde, Ken Follett
Wer war da nochmal der Protagonist?

4. Das Parfum, Patrick Süskind
Seitdem leide ich unter Waschzwang.

5. Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry
Für alle, die mit dem Herzen lesen.

6. Buddenbrooks, Thomas Mann
Vom Untergang einer angesehenen Lübeckerei.

7. Der Medicus, Noah Gordon
Seit der Lektüre verarzte ich mich selbst und stelle Kochrezepte aus.

8. Der Alchimist, Paulo Coelho
Teile des Buches hatte ich in der Grundschule vorformuliert, aber dann im Bus liegen lassen.

9. Harry Potter und der Stein der Weisen, J. K. Rowling
(siehe Anmerkung oben)

10. Die Päpstin, Donna Cross
Angeblich sollen bis auf die aktuelle Ausnahme alle Päpste Frauen gewesen sein.

11. Tintenherz, Cornelia Funke
Geht es da nicht auch um Herrn Reporter?

12. Feuer und Stein, Diana Gabaldon
Tolles Buch.

13. Das Geisterhaus, Isabel Allende
Las ich während meines Praktikums im Bundeskanzleramt.

14. Der Vorleser, Bernhard Schlink
Ein Buch über meine Vorfahren. Heute liest unsere Familie still für sich.

15. Faust. Der Tragödie erster Teil, J. W. Goethe
Hatten wir in der Schule.

16. Der Schatten des Windes, Carlos Ruiz Zafón
Ein selten schöner Roman.

17. Stolz und Vorurteil, Jane Austen
Hier fühlte ich mich vom Buchtitel persönlich angesprochen.

18. Der Name der Rose, Umberto Eco
Nur so viel: Die Namensfrage wird auch am Ende des Mönchskrimis nicht geklärt.

19. Illuminati, Dan Brown
Ein selten schönes Buch.

20. Effi Briest, Theodor Fontane
Das war Schullektüre.

21. Harry Potter und der Orden des Phönix, J. K. Rowling
(siehe Anmerkung oben)

22. Der Zauberberg, Thomas Mann
Thomas Mann ohne Eigenschaften.

23. Vom Winde verweht, Margaret Mitchell
Stürmische Geschichte.

24. Siddharta, Hermann Hesse
War glaub ich die Drehbuchvorlage für Slumdog Millionär.

25. Die Entdeckung des Himmels, Harry Mulisch
Ein Mann lässt den Kopf hängen, bis er am Ende nach oben schaut. Dort ist er!

26. Die unendliche Geschichte, Michael Ende
Ich muss gestehen, ich bin bis heute immer noch nicht ganz durch.

27. Das verborgene Wort, Ulla Hahn
Ich habe es gesucht, aber nicht gefunden. Gut versteckt, Frau Hahn!

28. Die Asche meiner Mutter, Frank McCourt
Da meine Mutter auch verbrannt wurde, fühlte ich mich durch den Buchtitel angesprochen.

29. Narziss und Goldmund, Hermann Hesse
Ein historischer Roman um Nazis und geraubtes Judengold auf Schweizer Nummernkonten.

30. Die Nebel von Avalon, Marion Zimmer Bradley
Nebulöse Fantasy-Story.

31. Deutschstunde, Siegfried Lenz
Aftermath von den Rolling Stones hat mir besser gefallen.

32. Die Glut, Sándor Márai
Ein gutes Buch.

33. Homo faber, Max Frisch
So frisch, fromm, fröhlich, frei.

34. Die Entdeckung der Langsamkeit, Sten Nadolny
Ein ganzes Jahr habe ich mir für die Lektüre Zeit gelassen.

35. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Milan Kundera
Ein bisschen Liebe, ein bisschen Philosophie und ein bisschen Politik.

36. Hundert Jahre Einsamkeit, Gabriel Garcia Márquez
Mir kam es vor wie eine Ewigkeit.

37. Owen Meany, John Irving
Schöner Roman.

38. Sofies Welt, Jostein Gaarder
Ein jeder lebt so in seiner Welt.

39. Per Anhalter durch die Galaxis, Douglas Adams
Dieser Gegenwartsroman ist seiner Zeit weit voraus. Gewesen.

40. Die Wand, Marlen Haushofer
Die Fortsetzung „Wände '89“ war ebenso gelungen.

41. Gottes Werk und Teufels Beitrag, John Irving
Pfiffig!

42. Die Liebe in den Zeiten der Cholera, Gabriel Garcia Márquez
Ansteckend, dieses Buch.

43. Der Stechlin, Theodor Fontane
Was habe ich gelesen!

44. Der Steppenwolf, Hermann Hesse
Einer der größten Druckfeeler überhaupt – das Buch sollte eigentlich Steffen Wolf heißen.

45. Wer die Nachtigall stört, Harper Lee
… hat mehr als einen Flirt.

46. Joseph und seine Brüder, Thomas Mann
Insgesamt waren es zwölf Geschwister.

47. Der Laden, Erwin Strittmatter
Der erste Teil war seinen Nachfolgern „Der Schubladen“ und „Die Marmeladen“ ebenbürtig.

48. Die Blechtrommel, Günter Grass
Dafür sollte er den Nobelpreis bekommen. Oder zurückgeben.

49. Im Westen nichts Neues, Erich Maria Remarque
Stimmt.

50. Der Schwarm, Frank Schätzing
Ein selten gutes Buch.

51. Wie ein einziger Tag, Nicholas Sparks
Nicht länger dauerte die Lektüre.

52. Harry Potter und der Gefangene von Askaban, J. K. Rowling
(siehe Anmerkung oben)

53. Momo, Michael Ende
Die Zeitdiebe haben jetzt alle einen Job bei den Landesbanken.

54. Jahrestage, Uwe Johnson
Gutes Buch.

55. Traumfänger, Marlo Morgan
Die Geschichte wurde dem kollektiven Unterbewusstsein entnommen.

56. Der Fänger im Roggen, J. D. Salinger
Ein berühmtes Buch um die Auswirkungen von Mutterkorn.

57. Sakrileg, Dan Brown
Ein selten gutes Buch.

58. Krabat, Otfried Preußler
Wenn ihr Kind dieses Buch liest, dann sollten Sie sich Sorben machen.

59. Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgren
Wer kennt nicht Karlsson auf dem Eis und die anderen Kinder aus Bullerbü.

60. Wüstenblume, Waris Dirie
Ein mutiges Buch.

61. Geh, wohin dein Herz dich trägt, Susanna Tamaro
Ich blieb auf der Couch sitzen.

62. Hannas Töchter, Marianne Fredriksson
Ein gewagtes Titel.

63. Mittsommermord, Henning Mankell
Ein Krimi.

64. Die Rückkehr des Tanzlehrers, Henning Mankell
Ein schwedischer Krimi.

65. Das Hotel New Hampshire, John Irving
Kein Krimi.

66. Krieg und Frieden, Leo Tolstoi
Auf diesem oppulenten Buch basiert das gleichnamige Kartenspiel.

67. Das Glasperlenspiel, Hermann Hesse
Wer hat als Bub nicht gern mit Murmeln (Glaser, Öler, Bucker) gespielt und nebenher dieses Buch gelesen ...

68. Die Muschelsucher, Rosamunde Pilcher
Diese herzzerreißende Geschichte las ich, während der Nagellack an meinen Füßen trocknete.

69. Harry Potter und der Ferkelelch, J. K. Rowling
(siehe Anmerkung oben)

70. Tagebuch der Anne Frank
Hier sollte ich keine Witze machen.

71. Salz auf unserer Haut, Benoite Groult
Salz auf der Haut, Zucker im Urin.

72. Jauche und Levkojen, Christine Brückner
Tolles Buch.

73. Die Korrekturen, Jonathan Franzen
Lese ich erst, wenn es fertig lektoriert ist.

74. Die weiße Massai, Corinne Hofmann
Eine Frau sieht schwarz.

75. Was ich liebte, Siri Hustvedt
... liebe ich heut nicht mehr.

76. Die dreizehn Leben des Käpt’n Blaubär, Walter Moers
Ein kontroverses Buch.

77. Das Lächeln der Fortuna, Rebecca Gablé
Wie witzig und gut gelaunt kommt die Autorin mit diesem Werk daher.

78. Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, Eric-Emmanuel Schmitt
Allah Anfang ist schwer.

79. Winnetou, Karl May
Winneteou und Old Shatterhand – im Wilden Westen gibt’s ka Sünd.

80. Désirée, Annemarie Selinko
Wir mussten lange auf dieses Buch warten.

81. Nirgendwo in Afrika, Stefanie Zweig
Dabei kann es sich nur um Namibia handeln (namib = Ort an dem es nichts gibt).

82. Garp und wie er die Welt sah, John Irving
Ein rundherum gelungener

83. Die Sturmhöhe, Emily Brontë
Das Buch basiert auf dem Lied „Wuthering Heights“ von Kate Bush.

84. P.S. Ich liebe Dich, Cecilia Ahern
Diesen philosophisch angehauchten Thriller hat mir meine Friseuse vorgelesen.

85. 1984, George Orwell
Das Buch wird langsam Wirklichkeit, nur viel bunter.

86. Mondscheintarif, Ildiko von Kürthy
Mein Lieblingsbuch, wenn ich mal im Wartezimmer länger sitzen muss.

87. Paula, Isabel Allende
Prequel zu „Die Legende von Paul und Paula“.

88. Solange du da bist, Marc Levy
Als ich ausgelesen hatte, war sie weg.

89. Es muss nicht immer Kaviar sein, Johanns Mario Simmel
Es kann auch Koks & Nutten sein.

90. Veronika beschließt zu sterben, Paulo Coelho
Ein Entschluss, den sie aber bis ans Lebensende hinauszögert.

91. Der Chronist der Winde, Henning Mankell
Ein Krimi um einen windigen Stadtanachronisten.

92. Der Meister und Margarita, Michail Bulgakow
Von allen pornografischen Schriften ist mir diese die liebste.

93. Schachnovelle, Stefan Zweig
Mit dieser Novelle lernte ich Halma.

94. Tadellöser & Wolff, Walter Kempowski
Ein mutiges Buch zur rechten Zeit.

95. Anna Karenina, Leo Tolstoi
Ein großer russischer Roman von epischen Ausmaßen

96. Schuld und Söhne, Fjodor Dostojewski
Ein Buch so weit wie Sibirien.

97. Der Graf von Monte Christo, Alexandre Dumas
Warum merkt denn keiner, dass das kein Graf sondern ein Schwindler ist!

98. Der Puppenspieler, Tanja Kinkel
Jacob Fugger und die Frauen.

99. Jane Eyre, Charlotte Brontë
Ein sehr wichtiges Buch, wie schon das von ihrer Schwester Emily (Nr. 83).

100. Rote Sonne, schwarzes Land, Barbara Wood
Blaues Gras und lila Strand.
~

Samstag, 30. Januar 2010

Neues von der Psychopathenbrigade für 2010

Nun ist das neue Jahr bereits einen Monat alt. Höchste Eisenhüttenstadt also, die Prognose für das laufende Jahr abzugeben. Die Skeptiker meinen: the future is unwritten. Doch das stimmt nicht, man muss nur die richtigen Bücher lesen.

Nun gibt es Esotheoretiker, die behaupten 2012 geht die Welt unter, weil am 21. 12. 2012 der Maya-Kalender abläuft. Arme Irre! Dann ist es bereits zu spät! Der Untergang der Welt steht uns doch schon in diesem Jahr bevor, denn 2010 droht der dritte Weltkrieg. Kein Scherz, das Szenario stammt von Samuel Huntington und wird im letzten Kapitel seines Bestsellers "The Clash of Civilizations – Der Karneval der Kulturen" geschildert:

"Angenommen, wir haben das Jahr 2010. Die amerikanischen Truppen haben das mittlerweile wiedervereinigte Korea verlassen". (S. 513)

Bis hierher scheint alles friedlich. Doch es gibt seit langem Spannungen zwischen Rotchina und Vietnam um die Erdölvorkommen im Südchinesischen Meer. China beansprucht die Vorkommen für sich.

"Die Vietnamesen sträuben sich, und es kommt zu Kämpfen zwischen chinesischen und vietnamesischen Kriegsschiffen. Die Chinesen marschieren in Vietnam ein. Die Vietnamesen bitten die USA um Beistand."

Die USA greifen ein und es kommt zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen China und Amiland. Die Japaner halten sich aus wirtschaftlichen Gründen bedeckt und lassen die USA und Vietnam allein im Regen stehen. Die suchen Partner in Europa und Russland. Die Atommacht Indien nutzt das allgemeine Wuling für einen Schlag gegen seinen islamischen Erzfeind Pakistan. Muselmanen putschen in der Türkei. Das orthodoxe Serbien marschiert im muslimischen Bosnien ein. Griechenland und Bulgarien besetzen den europäischen Zipfel der Türkei.

"Die großen Nutznießer des Krieges zwischen den Kulturen sind diejenigen Kulturen, die sich aus ihm herausgehalten haben. Nachdem der Westen, Russland, China und Japan in unterschiedlichen Umfang verwüstet sind, hat Indien nunmehr freie Hand, die Umgestaltung der Welt nach hinduistischen Grundsätzen in Angriff zu nehmen."

Der islamische Inselstaat Indonesien dominiert Asien, und in Amerika boomen die lateinamerikanischen Staaten und bauen die zerbombte USA wieder auf.

"Afrika hingegen hat zum Wiederaufbau Europas wenig beizutragen und speit statt dessen Heerscharen von entwurzelten Menschen aus, die sich auf die Überreste stürzen." (sic!)

Huntington geht in seinem lesenwerten Buch davon aus, dass fünf große Kulturkreise in Zukunft gegeneinander kämpfen. Diese Zivilisationen unterscheiden sich vor allem durch ihre vorherrschende Religion voneinander. Diese fünf Kulturkreise sind der sinische (China, Vietnam, Korea), der japanische, der hinduistische (Indien), der islamische (Nordafrika bis Südostasien) und der westliche Kulturkreis (Europa, Nord- und Lateinamerika). Nebenbei gibt es noch Afrika sowie zerrissene Staaten (Russland, Türkei, Australien, Mexiko).

Diese Prognose unterliegt natürlich den bei Naturprodukten üblichen Schwankungen. Wie ich heute den Nachrichten entnehmen konnte, reagiert Rotchina bereits nervös auf die Waffenlieferungen der US-Amerikaner an Taiwan ...

Donnerstag, 28. Januar 2010

Unsterblich und nun tot

Jerome David Salinger, Autor von Der Fänger im Roggen, ist am Mittwoch im Alter von 91 Jahren verstorben. Salinger, dem in jungen Jahren von Ernest Hemingway "verdammtes Talent" bescheinigt worden war, schaffte, wovon viele Literaten träumen: Mit einem einzigen Roman erlangte er Weltruhm und sein Name wurde unsterblich. Seine Geschichte um den Schulversager Holden Caulfield verkaufte sich seit 1951 rund 25 Millionen Mal. Das Buch gehört mancherorts zur Schullektüre. Seit 1965 hatte Salinger dann keine Bücher mehr veröffentlicht, sein letztes Interview gab er im Jahr 1980.

Was die Nachrufe verlegen verschweigen: The Catcher in the Rye hatte Mark David Chapman seinerzeit dazu "inspiriert", am 8. Dezember 1980 meinen Lieblingsbeatle John Lennon zu erschießen. Seit seiner Kindheit sei Chapman angeblich von dem Buch besessen gewesen. Merkwürdigerweise ist der Mittelname bei Autor und Mörder gleich: David.

"Am 8. Dezember verließ Chapman gegen 14:00 Uhr das Hotel, kaufte zuerst Lennons LP Double Fantasy und dann in einem Schreibwarenladen eine Ausgabe des Romans Der Fänger im Roggen, seine eigene Ausgabe hatte Chapman in Hawaii vergessen." (Quelle: Wikipedia) Chapman hatte darin die Aufforderung "gelesen", eine Berühmtheit zu ermorden, um mit dieser Wahnsinnstat wahlweise das Buch oder sich selbst berühmt zu machen. Was ihm ebenso gelang, wie einst dem griechischen Hirten Herostratus, der aus reinem Geltungsbedürfnis im Jahr 356 v. Chr. ein Weltwunder in Brand steckte und dadurch zu zweifelhaftem Ruhm kam.

Mir ist übrigens mit J. D. Salingers einzigem Roman auch mal etwas verrücktes passiert. Als der Sonnenallee-Autor Thomas Brussig am 23. Oktober 1996 im Eisenhüttenstädter Mercedes-Autohaus zu einer Buchvorstellung inklusive Lesung weilte, war ich auch anwesend. Thomas Brussig stellte damals gerade seinen (meiner Meinung nach von Philip Roths Pupertätsroman "Porntoy's Complaint" inspirierten) Wenderoman "Helden wie wir" vor. Im Anschluss gab es die üblichen Fragen: Wie haben Sie Schreiben gelernt? Was haben Sie sich dabei gedacht? Schreiben Sie schon das nächste Buch? Unter anderem auch die Frage: Welches Buch hat Sie dazu gebracht, eine schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen? Antwort: "Der Fänger im Roggen". Genau das Buch hatte ich damals im Rucksack dabei, allerdinx nicht dieselbe Ausgabe. Toll, nicht?

Als ich es beim Signieren auspackte und vorzeigte, schien der Brussig nicht überrascht, guckte eher abwesend an mir vorbei. Naja, mich hat das Buch auch nicht sonderlich überrascht, verstehe den ganzen Hype um Holden Caulfield nicht so ganz. Das Buch hat John Lennon getötet! Das sollte allen Deutsch- und Englischlehrern mal zu denken geben!

Sonntag, 24. Januar 2010

Alltagsskizze: Das erste Mal


Weitere Comix dieser Art gibt es in meinem vielseitigen Machwerk "Hinz- & Kurzgeschichten" aus dem Schaltzeit-Verlag. Jetzt beeilen, von der 1. Auflage sind nur noch rund 100(!) Stück vorhanden.

Montag, 4. Januar 2010

Allen Lesenden ein gesundes neues Jahr!


Ab geht die Post: Eigentlich wollte ich an dieser Stelle Allen Lesern ein gesundes neues Jahr! wünschen, doch dann meinte meine Tante Mili, das sei "Chauvi-Scheiße". Obwohl ich heuchlerisch vorgäbe, allen ein schönes Neujahr zu wünschen, würde ich mit meiner Formulierung nur die Hälfte der Lesenden ansprechen, zeterte sie. Sie behauptete, "Leser" seien nur die Männer. Tante Mili ist Feministin, und zwar eine militante. Daraufhin wies ich sie darauf hin, dass sie selbst ein "Leser" sei, weil sie doch Milena Leser heiße und sie somit auch zum Leserkreis gehöre.


Tante Mili meinte, dafür könne sie nichts. Es handele sich um Unrecht von Geburt an. Sie würde gern ihren maskulinen Namen ändern, doch das sei nur durch eine Hochzeit möglich, und der einzige Mann, den sie jemals geliebt und geheiratet hätte, habe Harald Schreiber geheißen, was rein namenstechnisch eine Hochzeit wiederum ausschließen würde. Vielleicht habe eher Herr Schreiber eine Hochzeit ausgeschlossen, vermutete ich viel zu laut. Da fing Tante Mili zu weinen an.


Um des lieben Familienfriedens willen wählte ich in der Überschrift die geschlechtsneutrale Anrede, auf dass sich alle Geschlechtsneutralen angesprochen fühlen mögen können tun. Und ab geht die Post!