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Mittwoch, 12. September 2007

Futurologen können kein Wässerchen trüben

Derzeit tagt für einen Monat der Kongress der Futurologen in der vormaligen HOG Aktivist in der Karl-Marx-Straße zu Eisenhüttenstadt. Zur literarischen Untermalung desselben zitiert euer ergebener Erzähler Andi Leser in unregelmäßigen Abständen aus Stanislaw Lems Buch "Kongres futurlogiczny" von 1972. Dieser phantastische Roman muss unter dem Eindruck einer Reise des polnischen Autors ins nichtsozialistische Ausland und die Niederschrift nach dessen Rückkehr erfolgt sein, denn es hagelt zeitgenössische Anspielungen und fortschrittsgläubige Zukunftsfantasien, dass das Dach undicht wird: Freie Liebe, befreite Literatur, Militärdiktaturen, Terroristen, Medikamentenglaäubigkeit, psychedelische Drogen, ...

Den deutschen Schriftsteller Siegfried Lenz verleitete die Lektüre seinerzeit zu der Aussage, es handele sich bei diesem Roman um "eine Ausbesserung der Weltgeschichte oder sogar um eine Neufassung dieser Welt". Kauft dieses Buch und lest! - direkter kann man es nicht sagen.

Die Geschichte speist sich aus den Erinnerungen des Weltraumfahrers Ijon Tichy, der am achten Weltkongress der Futurologen teilnimmt. Dieser findet in dem erfundenen mittelamerikanischen Militärstaat Costricana in einem wolkenkratzenden Hilton-Hotel statt. Nachfolgend wird die Mär vom LSD im Trinkwasser aufgenommen, welche aus den 60ern stammt und auch schon bei den Simpsons Verwendung fand (Marge: "Die in Shelbyville haben uns immer gedroht LSD ins Trinkwasser zu kippen, aber sie haben sich das nie getraut."):

"Die versalzenen Salate hatten mich sehr durstig gemacht [...] Ich beschied mich mit einem Glas Leitungswasser. Kaum hatte ich ausgetrunken, da erlosch im Bad und in beiden Hotelzimmern das Licht. Und welche Telefonnummer ich auch wählte, ich wurde stets mit einem Automaten verbunden, der das Märchen vom Aschenputtel erzählte. [...] Mir war vergnügt zumute, schlechtweg köstlich. Im Nu konnte ich Unmengen von Argumenten zum Lob der eingetretenen Sachlage aufzählen. Ferner verspürte ich den übermächtigen Wunsch, dem erstbesten Mitmenschen die Haare zu streicheln oder zumindest seine Bruderhand zu drücken und ihm dabei tief in die Augen zu schauen. Dem grimmigsten Feind hätte ich die Wangen abgeschmatzt. [...]

Mein Geist spaltete sich seltsam entzwei. Weiterhin erfüllte ihn abgeklärte Helligkeit, allumfassendes Wohlwollen; die Hände aber waren so begierig, irgendwen zu liebkosen, dass ich aus Mangel an außenstehenden Personen mir selbst sacht die Wangen zu streicheln und neckisch die Ohren zu zupfen begann; auch reichte ich viele Male die rechte Hand der linken, um beide kräftig zu drücken. [... ] 'Da stimmt was nicht!' - rief in mir eine ferne schwache Stimme."

Das war's vom Mars!

Foto: ehst.tick
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1 Kommentar:

  1. Anonym12:04 PM

    ...] I remember taking LSD before I went to Disneyland. I started thinking about Mickey Mouse being a short, middle-aged man in a costume who hates life. Those drugs can be dangerous if you don't go into it positively, I gave them up long ago. I've done coke, heroin, ecstasy, LSD, everything. [...]

    Angelina Jolie, 2007

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