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Mittwoch, 26. September 2007

Das Neue China

"Sodann schilderte der Japaner Hayakawa die neue, in seinem Lande entwickelte Hausform der Zukunft: achthundertstöckig, mit Gebärkliniken, Kinderkrippen, Schulen, Kaufläden, Museen, Tierparks, Theatern, Kinos und Krematorien. Der Entwurf umfasste unterirdische Lagerräume für die Asche der Verstorbenen, vierzigkanäliges Fernsehen, Berauschungs- und Ausnüchterungszellen, turnsaalähnliche Hallen für Gruppensexbetrieb (der Ausdruck fortschrittlicher Gesinnung seitens der Entwerfer) sowie Katakomben für unangepasste Subkulturgruppen. Einigermaßen neu war der Gedanke, jede Familie solle jeden Tag aus der bisherigen Wohnung in die nächste übersiedeln…" (Stanislaw Lem: Der futurologische Kongress, S. 24)

Was in Japan noch Utopie ist, wird in China demnächst Biotop. Bei Shanghai, Shenzhen und Peking-Bejing bauen internationale Architekten ganze Städte neu. Mehrstöckige Wohnsilos stehen dicht an dicht und kämpfen um Licht. Straßenbänder schlängeln sich als Lichtschächte mitten hindurch und schaffen mit ihrer überdimensionierten Weitläufigkeit den Fußgänger ab. Lobenswert: So gemütlich kann moderne Architektur sein. Aus dem Fußvolk werden Kraftfahrer, aus Ackerland wird Betonwüste.

Dies erfuhren der hochgelarte Ben KDN und der wissbegierige Andi LSR im Anschluss an ihre dritte Irre Führung (Motto: Der lange Trott zur Schule) anhand eines Vortrages im Aktivist: Das Neue China von Stadtplaner Eduard Kögel, Forschungen zur Urbanisierung in China. Wieder im Rahmen des Kongresses der Futurologen.

Was sind denn Futurlogen? belauschte ich neulich zwei ältere Damen. Was, Fotologen? - Nein, Fu-tu-ro-logen. - Hm, keine Ahnung.

Futurologie ist die Lehre von der Zukunft. Wenn die Zukunft zur Vergangenheit wird, werden Futurologen zu Historikern. Wie Lems Weltraumfahrer Ijon Tichy, der als Folge des Achten Futurologischen Kongresses für einige Zeit eingefroren wird und sich wie H.G.Wells‘ Schläfer Graham nach seiner Neubelebung nur wundern kann:

"Zu meiner Zeit hat niemand vorherzusehen vermocht, dass Rechenanlagen von einem bestimmten Intelligenzgrad an unzuverlässig werden, da sie mit der Vernunft auch Schlauheit erwerben. Eine blöde, zur Selbstbesinnung nicht fähige Maschine tut, was ihr aufgetragen wird. Eine gewiefte erkundet vorerst, was weniger mühsam sei: das Lösen der empfangenen Aufgaben oder aber der Ausweg durch ein Hintertürchen. Der Sicker ist ein Roboter, der als Mensch auftritt und in menschliche Kreise gleichsam einsickert. Simtepp ist ein Computer, der Schwachsinn simuliert, um unbehelligt zu bleiben." (S. 81)
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Foto: ehst.tick (c) flickr.com
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