Mehr als nur Eisen & Hütten
Es gab eine Zeit, da versuchten die zuständigen Stellen der Stadt ein neues Image zu verpassen. Weg vom Sozialismus- und Eisenhütten-Image. Das war kurz nach der Wende; zu einer Zeit also, als die hochgekochte Euphorie die ganze Welt zu einem Hort des Friedens und der Liebe gemacht hatte. Plötzlich gab es eine Loveparade, der Blickpunkt war "die Heimatzeitung mit Herz" und Eisenhüttenstadt lag mit einem Mal dort, wo das Herz schlägt: "Wir sind mehr als nur Eisen & Hütten." (Eine Stadt nämlich.) Kann sich noch jemand an diese Kartenaktion erinnern? Wohl kaum.
Meine Frage: Wenn Eisenhüttenstadt keine "sozialistische Stadt" mehr ist und auch das Stahl- und Eisenimage nicht mehr allein zieht - was sind wir dann? Eine Stadt wie jede andere? Kann eine Stadt wie die andere sein? Was bleibt, wenn das Besondere verschwiegen und zugunsten allgemeiner Parameter verdrängt wird: Eisenhüttenstadt, die Stadt im Grünen? Ich denke, davon gibt es unzählige und noch viel schönere. Meines Erachtens kann die Stadt nur mit ihrer einzigartigen Geschichte auftrumpfen, auch wenn dies an Zeiten erinnert, die viele verdrängen möchten. (Aus der Psychoanalyse weiß man, dass Verdrängtes nur aufgeschoben und nicht verarbeitet wird und in den Tiefen des Seins ein eigenes Dasein führt.) Nur eine Aufarbeitung der Vergangenheit kann einen unbeschwerten Zugang zur Zukunft ermöglichen. Nur wer sich nicht dauernd nach hinten umblicken muss, der kann sich auf den vor ihm liegenden Weg konzentrieren.
Das DOK-Zentrum sollte darum sogar weiter ausgebaut und durch zusätzliche Einrichtungen, die sich mit der Bewältigung der DDR-Geschichte beschäftigen, ergänzt werden. Statt der üblichen Architekturstudenten sollten künftig auch Schulklassen nach Hütte gelotst werden, die sich im und vor Ort über verschiedene Aspekte der DDR ein Bild machen können - inklusive Unterbringung in einer DDR-typischen Wohnung mit Wasserhähnen aus Plaste, brauen Fliesen und braunem Linoleumfussboden. Wir schlagen das leerstehende City Hotel Lunik als Jugendherberge vor (siehe auch Kommentar).
Bild unten: Wieland
Wenn Deine Blog-Software "Karma" hätte, bekämst Du jetzt 3x3 Punkte für diese schöne Denkerei.
AntwortenLöschenWo wir schon beim Thema "Schulklassen" sind: Man sollte vielleicht verstärkt bei den orstansässigen beginnen und sie heimatkundlich weiterbilden, damit sie ein entsprechendes Schulklassenbewusstsein entwickeln, ihre Stadt lieben und schätzen lernen und nicht nur die leerstehenden Liegenschaften demolieren. Und dass man nicht einen der überflüssigen Blöcke als Museumsblock archiviert und stilgerecht einrichtet/eingerichtet beispielsweise als Hotel erhält, ist mir auch unverständlich.
Benny-Bunny, ich habe deine Idee sogleich aufgegriffen und in den Schlusssatz eingearbeitet. Nehmen wir doch gleich das ohnehin ungenutzt leerstehende und auf eine neue Aufgabe harrende Hotel Lunik, da braucht man sicherlich nicht viel verändern, um den ostigen Charme zu erhalten.
AntwortenLöschenNun muss ein tragfähiges Konzept her und dann werden Fördermittel beantragt! Wer macht's?
Jungs, die Idee mit dem Wohnblock ist klasse! Auch der Ansatz, das Lunik zu verbauen kommt gut, nur ist da meines Wissens nach gerade eine Zwangsversteigerung am Laufen - es gehört der Stadt also nicht mehr und der bsiherige Eigentümer hat nix damit gemacht. Wenn das stimmen sollte, muss ein Käufer her - die stadt wirds für unser eIdee net zurückholen - hat einfach kein Geld - vielleicht könnte man aber jemanden durch das Konzept zum Kauf bewegen!
AntwortenLöschenWenn das KuZ keine Verwendung mehr findet - war wohl auch mal angedeutet, köntne das siene ursprüngliche Funktion als Pionierhaus wieder aufnehmen. Die Nähe zum DOK-Zentrum ist diesbezüglich sicher kein Nachteil. Ich kann mich noch gut an den Samowar Nachmittag erinnern, wo uns sowjetische Bräuche präsentiert wurden. Viel krasser noch - mann könnte eine "Stadt, die es nciht gibt" schaffen. Stellt Euch vor man richtet derzeit geschlossene Kaufhallen und einen Intershop wieder her. Aus dem 1. Wohnkomplex bbaut man eine Stadt in der Stadt, wo der Osten lebt! Ein Hotel-Erlebnis-"nicht Ostalgie- aber" DDR-Trip, der weltweit seines gleichen sucht. Fahnen wehen, der Stern wird wieder rot und man stellt Trabbis und Wartburgs an die Straßen. Eine Seroannahmestelle, eine Eisdiele. Das alles klingt utopisch, aber nur verrückte Ideen haben das Potenzial, der Stadt eine Zukunft zu geben, an die schon viele nicht mehr glauben. Eine Vision zu haben, geht immer einher mit dem Gedanken: "Was heute unmöglich ist, wird in einigen Jahren als geniales Werk bezeichnet - wo sihc die Menschen fragen: "Warum hat diese Idee keiner vorher gehabt?"" Man muss sich etwas ausdenken, was den Menschen total den Kopf verdreht, in seiner Art unbeschreiblich einzigartig ist und vor allem aber nur das Pflänzchen aus der Saat ist, die die Zeit gestreut hat. Wir Menschen können sie nur ergreifen - aber Möglichkeiten selsbt sind permanent existent!
Aber nicht nur der Ost-Trip existiert.
Es gibt geschlossene Schulen in der Stadt. Alternativnutzung: Junge Leute bewohnen je ein Klassenzimmer - Es gibt doch eine riesen Mangel an Einraumwohnungen! Leitungen sind da. Die untere Etage ist Ideenpool für alles mögliche. Webdesignbuden - neben Werbeagenturen - Dienstleister jeglicher Art. Proberäume für Bands im Keller, Kreativ-Werkstätten für alles mögliche, Total bunt bemalt von Kunststudenten auf Exkursion. Stadtfernsehen von jungen Leuten, Gedichteschreibertreffs - LAN-Party Räume, Briefmarkensammler, Schachklubs, Tabletopspieler, Skatspieler, Schulgartenfreunde, Basketballspieler, Rampen für Skater auf dem Hof (Lärmschutzfenster für die Dienstleister;-). Stadtzeitung für junge Leute, um die Kiddies ans LEsen heranzuführen. Einen Pfadfindertreffraum, Photo Gruppen, ein motivierter Streetworker. Auch wenn es imme rheißt kein Geld - so ein Projekt kann als Muster das Land erobern.
Hürden sind da, um gegen sie zu rennen, entweder bei zweiten mal springt man drüber oder rennt außenrum.
Wer Pessimismus trinkt wird Verfall pinkeln!
Lieber Wieland, du weißt ja, dass die Idee vom "OSSI PARK" in Eisenhüttenstadt schon einmal existierte und dort nicht gerade gut ankam. Die Einwohner wollten nicht in einem ostigen Museum leben, sondern teilhaben an der neuen bunten Konsumwelt. Die Perspektive von außen, die wir ja auch gerade haben, ist eine andere als von innen.
AntwortenLöschenObwohl ich deine Vorschläge sehr gut finde!!! Die Idee von der "Stadt, die es nicht gibt" hatte ich auch schon mal so ähnlich. Allerdings wollte ich Eisenhüttenstadt gleich virtuell ins Internet verlagern, als E-Stadt oder E-City (diese Idee kam mir durch das angelsächsiche Wort "ElectriCity", was zum Einen Elektrizität bedeutet, zum Anderen aber auch eine elektrische Stadt sein könnte). Irgendwie ist die Idee steckengeblieben, ich habe aber einen Eintrag ins Wikihüttenstadt gesetzt.
Weiter im Text: Die Berliner und vermutlich auch andere Schulkinden sollen demnächst mehr über die DDR erfahren. Warum sorgt die Stadtverwaltung nicht dafür, Eisenhüttenstadt mit in den Lehrplan einzubauen, als Exkursionsziel? Genau - die Stadt im Osten als exemplarisches Beispiel für die Alltagswelt im Osten. Lehrpfade werden angelegt, die von der Wohnung der Tamara Bunke bis zur alten Praxis von Rolf Henrich führen (ein hastig konstruiertes Beispiel, ich gebe es zu).
Lasst uns weiterspinnen!
Bei ElectriCity muss ich sofort an einen Film denken, der einst auch im Friedrich-Wolf-Theater lief: Der elektrische Rainer... (sorry, ich weiß, dieser Kalauer ist schon weit jenseits der Friedensgrenze, aber verkneifbar war er doch nicht..)
AntwortenLöschenHe, du alter Calauer, das war mal einer meiner liebsten Filme!
AntwortenLöschenAlso ich komme bestimmt vorbei zum Probewohnen in the city that never sleeps... Aber ich komm ja ohnehin schon bisweilen, unaufgefordert und einfach so aus Interesse und Faszination. (Aber ich bin ja auch keine Schulklasse)
AntwortenLöschenFrau Indica!
AntwortenLöschenSie hier bei mir im Blog? Hätte ich gewusst, dass sie vorbeischaun, hätte ich Kuchen geholt und Kaffee aufgebrüht.
Ich fühle mich geehrt und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Ihr Andi Leser,
Blogwart