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Montag, 30. Oktober 2006

Eisenhüttenstadt in Berlin

"It’s Hardcore-Punk, Baby!" So lautete am Abend des 28. Oktober das Motto im Koma F in der Køpi, mitten in der Mitte der Hauptstadt. Dies wäre angesichts des autonomen Häuserkomplexes ja nichts wirklich Verwunderliches oder außergewöhnlich Erwähnenswertes, wenn da nicht eine Stadt involviert wäre, die wir alle gut kennen und die vor Ort nur als Schüttstadt bezeichnet wurde. Der Punkabend wurde nämlich von drei Bands bestritten, die zum Teil oder völlig aus Musikern der Stahlarbeiterstadt bestanden als da wären:

- Køterkacke (Kiezpunk aus F-Hain)
- Stalinstadt Ensemble (Werkscore aus Schüttstadt)
- Sax & Violins (80s Hit-Tanzkapelle aus DD)

Grund genug für mich, mal wieder meinen guten Konzertpullover anzuziehen und mit dem RE1 nach Berlin zu juckeln. Im Koma F angekommen, entdeckte ich lauter bekannte Gesichter, es war wie ein Heimspiel im Café Olé: Radi & Schnitzel am Einlass, Lothi & Andrea anna Bar und Linda, Hoppel, Enno, Dirk, Olli usw im Publikum. Und das alles für 1 Euro Eintritt, Allah sei Dank!

Den Auftakt machte das als "Punk-Brigade" angekündigte Stalinstadt Ensemble, welches die anwesenden Punks sogleich zum Pogen brachte. Euer geschätzter Andi Leser, der zu Recherchezwecken für Euch fotografieren wollte, musste sich in Acht+Bann nehmen, denn in dem niedrigen und übervollen Kellergewölbe blieb kein Raum für Sicherheitsabstand. Irgendwann riefen einige Ungeduldige: "Køterkacke! Køterkacke!" Linda, Frontmann beim SSE, konterte: "Man, ihr habt doch in Berlin genug Köterkacke! Überall Köterkacke auf den Straßen!"

Irgendwann nach Mitternacht sind dann die Lokalhelden am Ruder, das Trio Køterkacke. Wohlgemerkt, hier ist nur die Bassistin Lothaar Rothaar (vormals Dead Kaspar Hausers) aus Hütte. Schweißmoleküle verteilen sich in der Luft. Wieder wird gepogt und ich bekomme Bilder zu sehen, die ich mir nicht hätte träumen lassen: Einer der Tanzwütigen schüttelt seine Bierpulle so heftig, dass Gesternsaft an die niedrige Kohlenkellerdecke spritzt. Mit geöffnetem Mund fängt er einige der Tropfen, die von der Schwerkraft wieder nach unten gezogen wurden, auf und schluckt sie hinter. Wohl bekomm’s! Auch Blut floss, wenn auch wenig, allerdings nicht von der Decke, sondern aus einer Platzwunde.

Der Dritte in der Berliner Mitte war die Dresdner Tanzkapelle Sax & Violins (vermutlich benannt nach einem Song der Talking Heads), hier wohnte der Schlacherzeuger Hoppel einst in der Hüttenstadt und in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Mit altbekannten Titeln ausse Achtziger ging es Richtung Disko (ich persönlich vermisste Tragedy) und der Pogotanzstil beruhigte sich ein wenig. Vom life gespielten Boys Don’t Cry ging’s irgendwann über zu Girls Just Want To Have Fun von der Konserve. Der CD-Player hatte ne Macke, so dass dieser Song an die fünf Mal ins Programm sprang.

Am Ende des Abends, so gegen vier, hatte ich viele schöne Fotos, ein Paar ruinierte Turnschuhe, schwarze Kohlenstaubpopel in der Nase und jede Menge Spaß gehabt.

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