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Donnerstag, 8. Mai 2008

Da staunte Konrad Wachsmann: Ein Friedrich-Wolf-Theater in der Stalinstadt?


Bereits an anderer Stelle hat das Logbuch Stahlinstadt eine Passage aus dem Wachsmann-Report zitiert, die sich mit Eisenhüttenstadt beschäftigt. Jetzt gibt es neue Fertignahrung für die Bildungshungrigen unter Euch Lesern.

Der in Frankfurt an der Oder geborene Architekt Konrad Wachsmann musste während der Nazi-Diktatur in die USA ins Exil gehen und besuchte 1979 die DDR. Der Wochenpost-Redakteur Michael Grüning plante ein Interview (welches sich dann zur wahren Auto-Biografie ausweitete, dem "Wachsmann-Report") und begleitete Wachsmann auf seiner Rundreise durch Ostdeutschland, die ihn auch zur Stippvisite nach Hütte führte.

Zu den Teilen, die während der DDR-Diktatur (Ja, es war eine!) nicht erscheinen durften, äußerte sich Grüning in einer Neuausgabe seines Buchs 2001 - im Epilog II: Vom schwierigen Umgang mit der Wahrheit. Darin geht es vorangig um kritische Exil-Erfahrungen, die Wachsmann mit Exilanten machen musste, die später in der DDR hohe Posten bekleideten, wie zum Beispiel Walter Ulbricht, Alexander Abusch oder Kurt Liebknecht. Darin habe ich folgendes entdeckt:

"Unveröffentlicht, aber unvergessen ist auch eine andere Erinnerung von Konrad Wachsmann, die möglicherweise zu unvorstellbaren Konsequenzen geführt hätte. In Eisenhüttenstadt, dem früheren Stalinstadt, erinnerte er sich beim Vorbeifahren am Friedrich-Wolf-Theater an den Dramatiker und Arzt, der im Kulturleben der Weimarer Republik zu den bekanntesten Persönlichkeiten gehört hatte und dessen 1934 in Zürich unter dem Namen "Professor Mannheim" uraufgeführtes Drama "Professor Mamlock" weltberühmt geworden ist. Nach der Premiere im Zürcher Schauspielhaus hatte es von Nazis angezettelte Krawalle gegeben, durch die das Drama über Nacht auch für internationalen Gesprächsstoff sorgte. Wachsmann hatte den Dramatiker aber bereits in Deutschland kennengelernt und war ihm im Exil wiederbegegnet [...]

Vor dem Friedrich-Wolf-Theater in Eisenhüttenstadt berichtete Wachsmann, dass Friedrich Wolf große Angst davor gehabt hätte, wieder in die Sowjetunion zu gehen, obwohl seine Familie (z. B. Konrad und Markus Wolf) in Moskau lebte. Viel lieber wäre er in die USA emigriert, die ihm jedoch kein Visum erteilt hätten.

Von Lion Feuchtwanger habe er später erfahren, dass Friedrich Wolf in der Sowjetunion schon früh zu den extrem gefährdeten Personen gehörte und deshalb 1938 nach Spanien wollte, dann aber in Frankreich bleiben musste. Wachsmann fand es deshalb kurios, ausgerechnet in der früher nach Stalin benannten Stadt ein Friedrich-Wolf-Theater vorzufinden."

Dazu muss ich erwähnen, dass unter Stalins Herrschaft viele Exilanten plötzlich "verschwanden" oder in sibirische Lager kamen. Friedrich Wolf drohte wohl ein ähnliches Schicksal, dem er jedoch entgangen ist, denn er starb 1953 kurz nach Stalin in der DDR.

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